Dienstag, 18. Dezember 2018

Einfach köstlich

Ottolenghi: Simple. Das Kochbuch. 28 € 319 Seiten. Dorling Kindersley Verlag

Schon lange bin ich ein Fan des israelisch-britischen Starkochs Yotam Ottolenghi. Eine Freundin hat mir seinerzeit sein Kochbuch „Genussvoll vegetarisch“ geschenkt und mir damit als Hobbyköchin zu besonderen Geschmackserlebnissen verholfen. Ottolenghi steht nämlich für ebenso köstliche wie ungewöhnliche Kombinationen, etwa Rosenkohl mit gebratenem Tofu. Nur einen Nachteil hatten seine Rezepte: Das Kochen dauerte immer ewig, weil vieles nacheinander gebrutzelt werden musste. Von daher bin ich gleich auf den Titel seines neuen Buches geflogen, der mehr Einfachheit verspricht. Auch hier läuft einem schon beim Blättern das Wasser im Mund zusammen. Eingeteilt sind die Rezepte in die Rubriken: Brunch. Rohes Gemüse. Gegartes Gemüse. Reis, Getreide und Hülsenfrüchte. Nudeln. Fleisch. Fisch. Desserts. Anschließend folgen Vorschläge für Menüs und Festessen. Tatsächlich haben auch die Simple-Rezepte den ungewöhnlichen, köstlichen Ottolenghi-Geschmack, sind aber relativ leicht und schnell zu kochen. Ein paar Beispiele: Avocadobutter und Tomatensalsa auf geröstetem Brot, kalte Gurken-Blumenkohl-Suppe mit Ingwer oder Ofenkartoffeln mit Spinat-Gorgonzola-Füllung. Der einzige Wermutstropfen ist diesmal, dass die grundlegenden zehn Zutaten wie schwarzer Knoblauch, Isot Biber oder Za´atar (eine grüne Gewürzmischung aus zerriebenen Blättern) wirklich exotisch sind. In einer Großstadt wie Hamburg kann man sie sich zusammensuchen, sonst muss man sie im Internet bestellen. 
Mein Fazit: Ein wunderbares Kochbuch, das dank seiner einfachen Rezepte Ottolenghis besondere Kombinationen auch für EinsteigerInnen interessant macht.

Samstag, 15. Dezember 2018

Gute Nacht!

Chris Winter: Müde war gestern: wie du deine Schlafstörungen selbst behandelst und wieder Schlaf findest. 304 Seiten. 19,99 €. Riva

Wenn ich mich in meinem Freundeskreis umhöre, dann gibt es kaum jemanden, der richtig gut schläft. Manche finden keine Ruhe, weil ihnen alles Mögliche durch den Kopf geht, manche wachen mitten in der Nacht auf und schlafen erst nach Stunden wieder ein. Dabei ist ein erholsamer Schlaf wichtig für Körper, Geist und Seele. Das weiß jeder der sich müde durch den Tag quält. Doch wem wird schon ein Aufenthalt im Schlaflabor geboten, um die Ursachen zu erkunden? Näher liegt, dass man sich selbst auf die Spur kommt und informiert. Dabei hilft das Buch von Dr. Chris Winter. Der international renommierte Mediziner hat bereits mehr als zehntausend Patienten zu einem besseren Schlaf verholfen. Diesem Experten kann man trauen. In sein Buch gehen die neuesten Erkenntnisse der Schlafforschung ein. Auf unterhaltsame Art und in lockerem Ton vermittelt er wirkungsvolle Tipps und Therapieformen, mit denen man zu einem gesunden und erholsamen Schlaf findet. Er erläutert, welche Faktoren die Schlafqualität beeinflussen, wie das Gehirn im Schlaf reagiert und welche Arten von Schlafstörungen es gibt. Dazu zeigt er auf, was man selbst für einen guten Schlaf tun kann und wann man besser einen Experten zu Rate zieht. Eine ebenso vergnügliche wie lehrreiche Lektüre für alle Schlafgestörten, für die man sich etwas Zeit nehmen sollte.


Mittwoch, 12. Dezember 2018

Gewichtig

Jordan B. Peterson: Warum wir denken, was wir denken. Wie unsere Überzeugungen und Mythen entstehen. 1008 Seiten. 39,99 €. Mvg
Die New York Times bezeichnet den kanadischen Psychologen und Bestsellerautor als „einflussreichsten Intellektuellen der westlichen Welt“ -  wenn  auch als einen umstrittenen. Petersons Buch ist im wahrsten Sinne des Wortes schwere Kost: Es wiegt etwas über zwei Pfund. Auch inhaltlich hat man an tausend Seiten gut zu tun. Es erfordert Geduld, dem Autor auf seinen Denkwegen zu folgen. Immerhin hat der heute 56jährige das Buch im Alter von 23 Jahren begonnen und 15 Jahre bis zu dessen Vollendung gebraucht. Als es 1999 erschien, verkauften sich ganze 500 Exemplare.
Inzwischen ist Peterson berühmt und so kommt sein Erstling jetzt auch bei uns heraus. Im Original heißt das Werk „Maps of Meaning“. Der deutsche Titel ist leicht irreführend – es geht nur wenig um Vorgänge im Gehirn -, während der Untertitel „Wie unsere Überzeugungen und Mythen entstehen“ den Inhalt genauer trifft. Der Autor analysiert an zahlreichen Beispielen die Herkunft und Bedeutung unseres Glaubens, unserer Weltanschauung und unserer gesellschaftlichen Moral. Seine Thesen belegt er mit ausführlichen Zitaten aus bedeutenden Büchern, etwa von Viktor Frankl, Alexander Solschenicyn oder Friedrich Nietzsche, aber auch aus Märchen und der Bibel. Dabei schlägt er einen weiten Bogen: Die Heldenreise, Umgang mit Unbekannten, Archetypen, Alchemie, der Tod und das Böse. Besonders angesprochen hat mich der grundlegende Gedanke, dass der Mythos keine primitive Vorform ist, die wir dank der Wissenschaft aufgeben konnten, sondern dass es sich um eine besondere Beschreibung von Weltanschauung handelt, die sich auf das moralische Handeln auswirkt und die wir als Menschen brauchen.
Die Lektüre lohnt sich für alle, die ernsthaft an kulturhistorischen, psychologischen und philosophischen Themen interessiert sind. Sie ist anregend und kenntnisreich. Allerdings ist das Original bereits vor 30 Jahren erschienen, so dass die rasante technische Entwicklung der Gegenwart darin nicht berücksichtigt ist. Zudem sollte man wissen, ob man wirklich bereit ist, sich in das Labyrinth der tausend Seiten zu begeben. Eine im wahrsten Sinne des Wortes schwere Entscheidung. 

Sonntag, 2. Dezember 2018

Wohlfühl-Lektüre

Laura Malina Seiler: Schön, dass es dich gibt. Wie du mit deinem Geschenk für die Welt ein außergewöhnliches Leben erschaffst. 217 Seiten. 16,99.- €. Rowohlt Polaris

Wohl jeder Mensch sehnt sich danach, von seiner Umgebung angenommen zu werden. „Schön, dass es dich gibt“ ist dazu ein passender Satz. Leider hört man ihn viel selten. Diese Lücke füllt Laura  Malina Seiler, 31, auf vielfältige Weise überzeugend und mit Begeisterung. Das kommt an: Sie hat 6 Millionen Follower, die ihre Podcasts hören, Ihre Videos sehen oder ihr auf anderen sozialen Kanälen folgen. Und deren innere Suche sie auch mit Büchern wie diesem ergänzt. Dabei sprechen die Themen der Kapitel für sich: „Hör auf dein Herz“. „Stärke deine Schöpferkraft“. „Warum du spirituell und reich sein darfst“. „Die Higher-Self-Deklaration für dein Leben“. „Erschaffe in Einklang mit den universellen Gesetzen.“. „Lass dein Licht scheinen“. Zu jedem Kapitel gibt es im Text farbig abgesetzt Übungen, etwa „Deine Lebenslinie“ oder „Meditation für ein erfülltes Geld-Mindset“.
Wer sich mit esoterischen Themen wie Affirmationen, Visualisierung oder dem Gesetz der Anziehungskraft beschäftigt hat, findet in dem Buch nichts Neues. Der Zauber besteht in der Person der Autorin, die an ihren eigenen Erfahrungen teilnehmen lässt und sich überzeugend als Testimonial für ein wunderbares Leben anbietet.
Ein aufbauendes und motivierendes Buch vor allem für junge Menschen, die sich unsicher fühlen und sich ein gleichaltriges Vorbild als Unterstützung wünschen. Allerdings: Konkrete Ratschläge, wie man das außergewöhnliche Leben, das man verdient, erschafft, darf man nicht erwarten. Die bleiben PsychologInnen wie mir überlassen.  
 






Dienstag, 20. November 2018

Obamas Ameisen

Beck Dorey-Stein: Good Morning, Mr. President. Meine Jahre mit Obama im Weißen Haus. 462 Seiten. 12,99 €. Rororo

Unter dem Titel vermutete ich die Memoiren einer hochrangigen Mitarbeiterin, mit vielen Anekdoten über Präsident Obama. Falsch gedacht. Beck Dorey-Stein ist Stenographin und nur ein kleines Rädchen im Getriebe des Weißen Hauses. Aber gerade diese Position macht ihre Aufzeichnungen so interessant. Man erfährt, wie aufwändig die Organisation der präsidialen Auftritte ist und wie viele Menschen für einen reibungslosen Ablauf nötig sind: Piloten der Airforce One, Polizisten. FlugbegleiterInnen, Botschaftsangehörige, Butler, Hausmeister, Handwerker, Bodyguards und Wahlhelfer. Zitat der Autorin: „Keiner von ihnen wird auf einer Kundgebung je erwähnt. Wenn die Scheinwerfer angehen und die Musik erklingt, verschwinden die Ameisen von der Bildfläche“. Sie ist selbst eine dieser „Ameisen“ und beschreibt ihren Job vom ersten Arbeitstag bis zum Einzug Donald Trumps ins Weiße Haus. Dazu gehören Reisen im In- und Ausland, Stress, Jetlag, Feiern in Bars. Der gesamte Tross ist immer mit dem Präsidenten unterwegs und bleibt dabei möglichst unsichtbar. Mit den Beschreibungen ihrer beruflichen Erfahrungen verbindet die Autorin die ihres Liebeslebens, insbesondere  ihre Affäre mit dem Womanizer Jason, einem wichtigen Mitarbeiter Obamas.
Obwohl der Insiderbericht auch etwas kürzer hätte ausfallen dürfen und man sich fragt, wie eine Frau in puncto Männer nur so naiv sein kann, ist das Buch durchaus lesenswert. Es erlaubt einen interessanten Blick hinter die Kulissen der großen Politik, wie man ihn selten bekommt. 

Samstag, 17. November 2018

Programmier dich neu

Thomas Hohensee: Reset. Bei dir ist nichts kaputt, du bist nur scheiße programmiert. 189 Seiten. 16.- €. Gütersloher Verlagshaus.
Ich muss gestehen, der Untertitel hat mich zunächst geschockt. Außerdem kommt das S-Wort im Text noch häufig vor und als visueller Mensch sehe ich dann jedes Mal braune Häufchen. „Du bist falsch programmiert“ hätte mir besser gefallen. Doch man gewöhnt sich, und dann ist das Buch richtig gut. Thomas Hohensee beschreibt unser Gehirn als einen Computer. Ursprünglich ist unsere „Festplatte“ völlig in Ordnung – als Kinder sind wir mit allem Talent zum Glücklichsein zur Welt gekommen. Doch dann hat man unseren „PC“ mit hinderlicher Software programmiert. Die läuft bis in die Gegenwart und hindert uns daran, glücklich und erfolgreich zu sein. Die häufigsten schädlichen Programme führt der Autor der Reihe nach auf. Und tatsächlich, bei den meisten erkennt man sich wieder, etwa: „Das Leben muss immer leicht sein.“ „Ich muss von allen geliebt werden“, „Ich muss in jeder Hinsicht leistungsfähig sein“ oder „Alles hat so zu sein wie ich will.“ Wurde eines oder mehrere dieser Programme auf der eigenen Festplatte installiert, gibt es Hilfe in den Kapiteln „Reset“, „Update“, „Neustart“ und „Support“. Hinter der Diktion aus der Computersprache verbergen sich handfeste und anwendbare Tipps, wie wir alte Muster auflösen und umdenken können. Insofern ist dies wieder ein typisches Hohensee-Buch: Gut zu lesen, verständlich und inspirierend. Also keineswegs scheiße. 

Donnerstag, 15. November 2018

Geheimnisvolles Tanger

Christine Mangan: Nacht über Tanger. 367 Seiten. 22.- €. Blessing
Tanger 1956. Die junge, sensible Amerikanerin Alice Shipley ist ihrem Ehemann John ins spätkoloniale Marokko gefolgt. Im Gegensatz zu John fühlt sie sich in der Stadt unwohl und verlässt nur selten ihre Wohnung. Eines Tages steht unerwartet Lucy Mason vor ihrer Tür. Sie und Alice waren am College in England unzertrennlich. Die furchtlose, selbständige Lucy trat vehement als Beschützerin der zarten, introvertierten Alice auf, bis ein mysteriöser Autounfall die enge Beziehung beendete. Seitdem haben die beiden sich nicht mehr gesehen. Lucy nistet sich als Gast in Alice Wohnung ein und tut alles, um ihre ungeteilte Zuneigung zurückzugewinnen. Dabei ist ihr der Ehemann im Weg…  
Der Roman vibriert vor unterschwelliger Spannung. Dabei wird das Geschehen mit zahlreichen Rückblenden aus der Sicht beider Frauen erzählt und gibt von Anfang an Rätsel auf. Erst nach und nach wird klar, dass hier eine Psychopathin ihr perfides Spiel treibt Katastrophe oder Happyend? Das bleibt bis zum Schluss offen. Außer der raffinierten Erzählform entsteht ein Teil der Faszination durch das Lokalkolorit. Die unüberschaubare, für Fremde gefährliche Stadt Tanger ist der exotische Hintergrund, vor dem sich die Handlung entfaltet.
Ein spannender Psychothriller, den ich nicht aus der Hand legen konnte.
Für Liebhaberinnen dieses Genres ist er gewiss ein Leckerbissen.
P.S.: Ein Extralob gibt es von mir für das attraktive Titelbild, das an Ingrid Bergmann in „Casablanca“ erinnert.

Dienstag, 6. November 2018

Selbstständig

Stacy Kravetz: She´s so Boss. Der Businessguide für deinen großen Traum. 236 Seiten. 18.- € , Ariston

Als ich vor Jahren mein erstes Buch geschrieben hatte, hörte ich oft von anderen Frauen: „Toll, ich sollte auch mal ein Buch schreiben.“ Mit heimlichem Lächeln dachte ich: „Ja, Mädels, macht das mal…“. Eins hatte ich nämlich gelernt: Aus dem Stand ein Projekt zu starten, welches auch immer, erfordert außer Willen und Disziplin eine Menge Know-how. Damals wie heute ist es das Gleiche: Viele junge Frauen haben den Traum, sich selbständig zu machen. Etwa ein Online-Magazin zu starten, ein Unternehmen zu gründen, ihre künstlerische Leidenschaft zu Geld zu machen. Aber dann kapitulieren sie vor den ganz realen Problemen. Hier gibt die Journalistin Stacy Kravetz beste Starthilfe. Sie zeigt praxisnah und kompetent, was man braucht, um erfolgreich seine eigene Chefin zu sein. Dabei wird jeder Bereich angesprochen: Wie man Ideen findet, die Marke aufbaut, Marktforschung betreibt, Kunden akquiriert, soziale Medien beherrscht, Räume findet, Business- und Jahrespläne macht und die Finanzen regelt. Dazu kommen junge, erfolgreiche Gründerinnen zu Wort und es gibt jede Menge Tipps.
Das Buch ist verständlich und locker geschrieben. Besonders gefällt mir, dass neben allem Realismus immer ein positiver Ton mitschwingt, der Mut macht, den eigenen Weg zu gehen. Für junge Frauen in den Startlöchern und für alte Häsinnen zu Auffrischung. 

Freitag, 2. November 2018

Genau das Richtige

Marlene Soerensen: Woher hat sie das? Modelieblinge für jeden Anlass. 178 Seiten mit Abbildungen. 29,95 €, Callwey

Ganz klar, ich liebe Mode und verpasse selten eine Ausgabe der Vogue. Dabei interessiert mich – kein Wunder – besonders der psychologische Aspekt: Was macht die Kleidung mit einem? Wie kann man sie für seine Ziele einsetzen? Und wie gelingt optische Anpassung, ohne dass man sich verkleidet? In der Modejournalistin Marlene Soerensen habe ich da wohl eine Seelenverwandte gefunden. Sie gibt auf alle Fragen kundig, charmant und persönlich Antwort. Außerdem hat sie zahlreiche Stilikonen interviewt, die auf verschiedenen Gebieten modisch kompetent sind, wie etwa die Schauspielerin Jasmin Gerat oder das Model Eva Padberg.
Der Aufbau des Buches ist sinnvoll und übersichtlich: „Wenn der erste Eindruck zählt“. „Wenn es praktisch sein muss, aber nicht so aussehen soll“. „Wenn es etwas zu feiern gibt“. „Wenn ein Tag alles bringen kann“. „Die Extras“. Dabei werden die Aussagen der modischen Expertinnen jeweils optisch mit einigen Foto-Beispielen belegt. Außerdem gibt es in übersichtlicher Kurzform viele praktische Tipps für die speziellen Anlässe.
Das Buch ist nicht nur inspirierend, sondern auch so informativ, dass ich es mit einem Stift in der Hand gelesen habe, um wichtige Stellen zu markieren (was ich sonst bei Bildbänden nie tue). Ich empfehle es unbedingt für Frauen, die gut und passend angezogen sein möchten.Nach der Lektüre wird dann vielleicht auch manche(r) in ihrer Umgebung bewundernd fragen: „Woher hat sie das?“ Stil eben .

Montag, 29. Oktober 2018

Innere Schönheit

Carmen Maria Poller: Glücklich, schön, selbstbewusst. 209 Seiten.14,99 € , Trias
Wer hätte diese drei Eigenschaften nicht gerne? Ich war neugierig, auf welche Weise sie mir die Autorin vermitteln möchte. Bitte nicht wieder das bekannte „Liebe dich selbst“ oder „Sport und gesunde Ernährung“. Tatsächlich hat Carmen Maria Poller einen anderen, genial einfachen Ansatz. Er beruht auf dem Spruch „Wahre Schönheit kommt von innen“. Damit sind keineswegs nur innere Werte gemeint. Vielmehr gilt: Wer sich gut fühlt, sieht auch gut aus. (was wir spätestens feststellen, wenn wir verliebt sind). Dazu gibt Poller Inspiration und Tipps. Von Hause aus ist sie Coach und hat sich auf Facereading, also die Ausdeutung von Gesichtszügen, spezialisiert. Dem widmet sie einen großen Teil des Buches zur Selbstdiagnose. Zunächst war ich skeptisch. In jungen Jahren hatte ich nämlich schlechte Erfahrungen mit einem Anhänger von Carl Huter, dem Begründer der Physiognomik, gemacht. Er vermaß auf dem Podium Gesichter und leitete daraus feststehende Charaktermerkmale ab. Doch meine Sorge war unbegründet. Carmen Poller gibt behutsam und ohne dogmatisch zu sein Impulse, wie man das eigene Gesicht erforschen kann. Dabei beruft sie sich auch auf die chinesische Medizin. Im größeren Teil des Buches befasst sie sich dann damit, wie wir Stress und negative Gefühle abbauen und positive aufbauen können, um voller Energie zu strahlen.
Das Buch ist inspirierend und sehr entspannend im Blick auf die eigenen Mängel. Es überzeugt, dass Wohlgefühl und Sinnlichkeit die beste äußere „Selbstoptimierung“ sind.

Donnerstag, 25. Oktober 2018

Weltreise im Oldtimer

Heidi Hetzer: Ungebremst leben. Wie ich mit 77 Jahren die Freiheit suchte und einfach losfuhr. 360 Seiten. 20.- € . Ludwig Verlag
Am 27. Juli 2014 bricht die 77jährige Berlinerin Heidi Hetzer mit ihrem Oldtimer „Hudo“ (Info für Kenner: Ein Hudson Great Eight Coach Baujahr 1930), zu einer Weltreise auf. Ihr großes Plus: Heidi kann mit Autos umgehen. Ihr Vater besaß eine Werkstatt und später ein Autohaus. Schon als Kind schraubte sie an Vehikeln herum, machte als junge Frau eine Kfz-Lehre und fuhr Rallys.   
Ihr Trip führt sie von Europa nach Asien, über China bis runter nach Singapur, per Schiff nach Australien, weiter nach Neuseeland, von dort an die Westküste der USA, quer durch die USA und Kanada wieder bis nach Florida, weiter nach Südamerika, dann in den Süden Afrikas und schließlich über Südeuropa zurück nach Deutschland. Die Tour de force ist voller Hindernissen: „Hudo“ hat häufig Macken und muss immer wieder repariert werden. Doch seine taffe Fahrerin lässt sich nicht unterkriegen. Über alle Sprachbarrieren hinweg verständigt sie sich mit den Menschen, denen sie begegnet und knüpft freundschaftliche Kontakte. Nach 85000 Kilometern, 960 Tagen, 46 Ländern ist sie wieder daheim in Berlin.
Heidi Hetzer hat Ihre Erfahrungen auf dieser gigantischen Tour mit dem Autor Marc Bielefeld zu einem Buch verarbeitet. Ergänzt wird es mit ca. 70 Fotografien. Die Sprache ist unprätentiös, oft selbstironisch, die Erlebnisse werden eher sachlich geschildert und beziehen sich häufig auf die Fahrtüchtigkeit des Oldtimers. Für mich als Nicht-Autofahrerin ist das manchmal etwas dröge. Was das Buch aber interessant macht, ist der Optimismus, die Offenheit für ihre Umgebung und das Durchhaltevermögen der Lady. In diesem Sinne ist sie ein echtes Vorbild, besonders für Frauen: Wenn sie es in ihrem Alter geschafft hat, ihren Traum zu verwirklichen, dann hat wohl keine(r) von uns eine Ausrede, das nicht ebenfalls zu versuchen. Es muss ja nicht gleich eine Weltreise sein.

Freitag, 19. Oktober 2018

Fürchtet euch

Bob Woodward: Furcht. Trump im Weissen Haus. 520 Seiten. 22,95 €, Rowohlt

Heute morgen am Frühstückstisch: "Hast du eigentlich das Buch über Trump ausgelesen?" "Ja". "Und, neue Erkenntnisse?" "Ja - es ist alles noch viel schlimmer."
Bob Woodword hat seit Watergate einen hervorragenden Ruf als Enthüllungsjournalist. So darf man erwarten, dass sein Buch über Donald Trump der Wahrheit entspricht. Und die ist verstörend: An der Spitze einer Weltmacht steht ein Präsident, der weder von Diplomatie noch von globalen wirtschaftlichen Zusammenhängen Ahnung hat, der emotional reagiert und unkontrolliert Entscheidungen fällt. Nicht alles davon ist neu, schließlich waren und sind Trumps Kapriolen immer wieder Thema in den Medien. Aber hier werden sie ausführlich und präzise belegt, beginnend mit dem Wahlkampf. Wir erfahren, dass alles noch viel schlimmer ist. Das Team um den Präsidenten besteht aus Jasagern, die sich gegen besseres Wissen sein Wohlwollen erhalten möchten und Amateuren aus dem Familienclan. Daneben gibt es eine Gruppe mutiger Mitarbeiter, die versuchen, das Äußerste zu verhindern. Heimlich lassen sie Unterlagen von Trumps Schreibtisch verschwinden, in der Hoffnung, dass er vergisst, dass er sie unterschreiben wollte.
Ein politisches Desaster, akribisch zusammengetragen auf 520 Seiten, belegt mit 38 Seiten Quellenangaben – wobei natürlich einige aus gutem Grund nicht preisgegeben werden. Tatsächlich liest sich das Buch wie ein Protokoll. Woodword schreibt sehr sachlich und verzichtet auf persönliche Kommentare. Dass es sich trotzdem spannend liest, liegt auch an der häufig angewandten wörtlichen Rede. Sie gibt einem das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Wer sich über die Vorgänge im Weißen Haus gründlich informieren möchte, hat mit diesem Buch eine verlässliche Lektüre. Wenn es sich nicht um erschreckende Fakten handelte, würde ich sie sogar unterhaltsam nennen,

Dienstag, 16. Oktober 2018

Eintauchen

Jennifer Egan: Manhattan Beach. 490 Seiten. 22.- € .S.Fischer

New York während des Zweiten Weltkriegs. Die junge Anna Kerrigan arbeitet wie viele andere Frauen in einer Kriegsfabrik der Marinewerft, um ihre Familie durchzubringen. Ihr Vater Eddie ist verschwunden, die Mutter muss sich um die Pflege der schwerstbehinderten Schwester Lydia kümmern. Zwei einschneidende Erlebnisse verändern Annas Leben: Nachdem sie eines Tages Taucher bei einem Übungsgang beobachtet hat, setzt sie mutig und zielstrebig alles daran, Marinetaucherin zu werden und unter Wasser Schiffe zu reparieren. Und sie begegnet Dexter Styles, Nachtclubbesitzer und Syndikatsmitglied, der seinen Reichtum überwiegend illegalen Geschäften verdankt. Für ihn hat ihr Vater vor seinem Verschwinden gearbeitet.
Jennifer Egan, Trägerin des Pulitzer-Preises, hat einen Roman geschrieben, in den man im wahrsten Sinne des Wortes völlig eintaucht. Sie verwebt mehrere Erzählstränge miteinander und zeichnet damit ein Bild der Zeit und des New York der 40er Jahre. Liebe, Verbrechen, Familienprobleme  und Schicksal – alles dabei. Wer große Geschichten mag, wird von dem Buch fasziniert sein.

Samstag, 13. Oktober 2018

Berliner Nächte

Detlef Bluhm: Berlin im Glanz der Nacht. Berlin after dusk. 208 Seiten. 200 farbige Abbildungen. 24,5 cm. 28.- €. be.bra.verlag

Kürzlich war ich nachts ganz allein in Berlin unterwegs. Es war faszinierend. In der Dunkelheit zeigt sich die Stadt ganz anders als am lebhaften Tag – geheimnisvoll, einsam, leuchtend. Zu später Stunde entfalten menschenleere Orte einen besonderen Zauber. Die Sehenswürdigkeiten, Straßen und Plätze, Parks, Bürogebäude, Kneipen, Supermärkte, Hotels, Läden, Museen und Bahnhöfe scheinen ein Eigenleben zu führen, sie erzählen eine Geschichte.
Nun ja, zugegeben, ich habe unsere Hauptstadt nicht wirklich nächtens durchstreift, das wäre mir doch etwas zu riskant. Aber mit dem Bildband von Detlef Bluhm ist es so, als wäre man tatsächlich auf einer nächtlichen Entdeckungsreise durch Berlin. Bei so manchem Foto bekommt man Lust, sich die Lokalität auch bei Tage anzusehen, etwa das Ballhaus in Mitte oder den Botanischen Garten in Zehlendorf . Aber ich bezweifle, dass man dabei die Magie entdeckt, die Detlef Bluhm mit seinen nächtlichen Fotos eingefangen hat. Sein Blick für die Besonderheit lehrt sehen und führt dazu, dass man vermeintlich Bekanntes völlig neu entdeckt. Dabei erinnert mich die Präzision und der Realismus der Aufnahmen häufig an Gemälde von Edward Hopper.
Ein fantastisches Buch, das man immer wieder anschauen möchte, ein Geschenk für jeden Berlinfan.

Samstag, 29. September 2018

Inseltraum

Regina Stahl, Fotos Brita Sönnichsen: Zu Gast auf Sylt. Sehnsuchtsorte, Originalrezepte und Geheimtipps. 205 Seiten.39,95 €. Callwey Verlag

Das ist mir noch nie passiert: Schon beim Durchblättern des Bildbandes lief mir das Wasser im Mund zusammen. Ob überbackene Austern, Gambas auf Sauerkraut, Gemüse-Carpaccio auf Räucherlachstatar – die Fotografin Brita Sönnichsen hat die Speisen extrem lecker fotografiert, je zwei pro Lokal. Außerdem gibt es zu jedem Bild auch das passende Rezept für die Hobbyköchin oder ihr männliches Pendant. Schon allein  als Kochbuch für Spezialitäten wäre das Buch ein Genuss, doch es bietet noch weitaus  mehr. Es ist ein kulinarischer Guide über die gesamte Insel. Die Einteilung lautet: Lust auf List. Dorfschönheit Kampen. Insel-Metropole Westerland. Kuschelfaktor Keitum. Einen Ausflug wert: Tinnum. Ab in den Süden: Rantum & Hörnum. Die Autorin Regina Stahl beschreibt auf je einer Seite die besten Lokale vor Ort. Dazu erfährt man Persönliches über die Betreiber und die Historie der Lokalität. Natürlich sind Touristen-Lieblingsorte wie die Sansibar, das legendäre Gogärtchen oder die Kupferkanne dabei, aber auch so manches, was gelegentliche Syltbesucher vermutlich noch nicht kennen. Ich habe mir jedenfalls Dittmeyer´s Austerncompagnie in List notiert. Und weil zu jedem Lokal auch die Öffnungszeiten genannt sind, würde ich hier wie auch anderswo nicht vor verschlossener Türe stehen. Außerdem gibt es zu jeder Inselregion noch eine Seite mit kleinen Geheimtipps, wie zum Beispiel das man bei R & F in Tinnum einen Strandkorb für den heimischen Garten bestellen kann.
Ein bis ins Detail wunderschön gemachtes Buch. (Erst ganz zum Schluss habe ich übrigens entdeckt, dass auf der ersten Seite sogar Sylter Sand klebt). Der Bildband ist ein Leckerbissen im wahrsten Sinne des Wortes für Syltliebhaberinnen und solche, die es werden wollen. Und auch ohne das ein großartiges Geschenk für einen selbst und Menschen, die man mag..   

Dienstag, 25. September 2018

Lass los!

Mooji: Weiter als Himmel, größer als Raum. Das Buch der inneren Befreiung. 308 Seiten. 19,99 €. O.W.Barth Verlag

Mooji, ursprünglich Anthony Paul Moo-Young, wurde 1954 in Jamaika geboren und wuchs in London auf. Er arbeitete dort als Kunstlehrer, bis er auf einer Indienreise seinen Guru Sri H.W.L Poonja traf. Die Begegnung veränderte ihn zutiefst. Heute ist Mooji selbst ein bekannter  spiritueller Meister. In seinen Satsangs (Zusammenkünfte zur Belehrung) regt er seine Zuhörer beständig dazu an, die Frage nach ihrer eigentlichen Natur zu stellen. seine Botschaft: Unser unvergängliches Selbst ist bereits in uns. Es ist nur überlagert von unserer persönlichen und kulturellen Konditionierung. Die Wahrheit zu erkennen, bedeutet, dieses Selbst zu erkennen und das übernommene Ich loszulassen.
In „Weiter als Himmel, größer als Raum“ haben seine Anhänger Moojis Lehrreden sinnvoll zusammengestellt. Entstanden ist ein Buch, das eine klare Anleitung zu einem friedlichen und freudevollen Leben gibt. Besonders angesprochen hat mich dabei, dass Mooji nicht Askese predigt. Es geht vielmehr darum, im täglichen Leben die geistige Anhaftung loszulassen und sich nicht mit dem zu identifizieren, was vergänglich ist.
Wer auf der spirituellen Suche ist, findet in diesem Buch Inspiration für tiefere Selbsterkenntnis.    

Donnerstag, 20. September 2018

Gib mir einen Hunderter!

Jonas Jonasson: der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten. 443 Seiten. 20.- € . C.Bertelsmann

Das Buch „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ habe ich mit großem Vergnügen gelesen. Nun gibt es eine Fortsetzung mit dem inzwischen einhundertjährigen Allan Karlsson. Auch diesmal verquickt sein Schöpfer den schlitzohrigen Alten mit der großen Weltpolitik. Waren es beim ersten Mal Stalin, Mao Tse-tung und Kim Il-sung, denen er ein Schnippchen schlug, so sind es diesmal Kim-Yong-Un, Trump. Putin und Angela Merkel. Die Schauplätze wechseln zwischen Nordkorea, USA, Schweden, Dänemark, Deutschland und Afrika. Es geht um Uran als Grundstoff für eine nordkoreanische Atombombe, das Allan und seinem Freund Julius zufällig in die Hände fällt. Natürlich gibt es auch wieder einen ebenso tumben wie bösartigen Verfolger, diesmal ist es ein Neonazi.
Die gesamten Verwicklungen hier zu beschreiben würde den Rahmen sprengen. Jedenfalls geht alles gut aus. Und dazwischen gibt es viele lustige Szenen. Jonasson hat ein Schreibhändchen für Komik, ich musste häufig leise vor mich hinlachen. Auch die Beschreibung des lebenden politischen Personals ist witzig, kommt aber für meinen Geschmack zu kurz und wirkt deshalb klischeehaft. Davon abgesehen ist dank der überbordenden Fantasie des Autos auch dieses Buch ein Lese-Spaß, der gut von den echten Dramen dieser Welt ablenkt.

Freitag, 14. September 2018

Leselieblinge

Jörg Magenau: Bestseller: Bücher, die wir liebten - und was sie über uns verraten. 22.- € Hoffmann und Campe

Als Autorin von inzwischen 13 Büchern weiß ich so gut wie jeder Verlag: Bestseller kann man nicht machen. Bei meinem Erstling „Mich übersieht keiner mehr. Größere Ausstrahlung gewinnen“ ist es mir tatsächlich einfach passiert. Aber ob nun schreibend oder lesend, man wüsste doch gerne, wie so etwas zustande kommt. 
In diesem Buch unternimmt der Autor und Literaturkritiker Jörg Magenau den Versuch, das Phänomen der vielverkauften Lektüre zu entschlüsseln. Zunächst erfährt man Wissenswertes über die Hintergründe, etwa wie die Berechnung der Verkäufe zustande kommt und was Werbung und Prominenz der AutorInnen bewirken. Der Hauptpart besteht jedoch in einer Reise durch 60 Jahre deutschsprachiger und internationaler Literatur. Dabei vertritt Magenau die These, dass Bestseller häufig Ausdruck eines aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnisses sind und oft auch den Zeitgeist widerspiegelnden. Zum Beleg nimmt er sich Bestseller von der „Blechtrommel“ bis zum „Geheimen Leben der Bäume“ vor. Jedem seiner ausgesuchten Werke widmet er eine ausführliche Beschreibung und erläutert, warum es auf die berühmte Liste gekommen ist. Das ist manchmal tiefgründig, manchmal bleibt es etwas oberflächlich in zu viel Inhaltsangabe stecken. Doch insgesamt schärft Magenau den Blick dafür, warum Bücher zum Bestseller werden konnten und was das über uns, ihre LeserInnen, aussagt.
Ein lesenswertes und informatives Buch. Es regt auch dazu an, einmal die eigenen Lieblingsbücher zu betrachten und zu überlegen, was sie über uns verraten.

Montag, 10. September 2018

Kindheit in New Mexico

Milena Moser: Land der Söhne. 415 Seiten. 24.- €. Nagel & Kimche
Milena Mosers persönliche Geschichten wie „Hinter diesen blauen Bergen“ habe ich gerne gelesen. 2015 ist die Schweizer Schriftstellerin nach Santa Fé ausgewandert. In New Mexiko spielt nun auch ihr großer Familienroman.  
Die Geschichte spannt sich über drei Generationen. Protagonisten sind Luigi (Lou), sein Sohn Giovanni (Giò) und dessen Tochter Sofia. Der Roman beginnt mit einer Zugfahrt. Gìo reist mit der zwölfjährigen Sofia zu einem der Orte, an dem er eine besondere Zeit seiner Kindheit verbracht hat. Sein Vater Luigi, ist gestorben und es ist an der Zeit sich der Vergangenheit zu stellen.
Wir erfahren nun abwechselnd die Geschichte von Luigi und Giovanni:In den 1940iger Jahren reist Luigi mit seiner Mutter in die USA. Der Vater will ursprünglich nachkommen, tut es aber nicht. Die Mutter hat bald einen neuen Partner und schiebt Luigi in eine Outdoor School ab, in der er Missbrauch erlebt. Später wird er zu einem einflussreichen Filmproduzenten in Hollywood. Er heiratet Tara. Die Ehe scheitert und sie zieht mit dem gemeinsamen Sohn Giovanni in eine Hippiekommune. Nur an freier Liebe und Selbsterfahrung interessiert kümmert sie sich kaum um ihn. Eines Tages ist sie verschwunden und Giovanni bleibt allein zurück. Als sich die Kommune auflöst, wird er im benachbarten Pueblo abgegeben. Dort lebt er bei der Familie Ortiz, bis ihn sein Vater zwingt, zu ihm zu ziehen. Das Verhältnis der beiden ist angespannt. Schließlich verlässt der homosexuelle Gíovanni seinen Vater. Er wird Filmarchivar, nimmt den Namen Ortiz an und heiratet den Friseur Santiago. Mit ihm zieht er die von einer Freundin geborene gemeinsame Tochter Sofia groß.
Milena Moser entfaltet diese Familiengeschichte einem ruhigen,  beschreibenden Stil. Von daher darf man keinen spannenden Roman im üblichen Sinne erwarten, das Drama liegt vielmehr in den Erfahrungen, die die Protagonisten machen. Ein gutes Buch für geduldige Leser, die bereit sind, sich auf die problematische Kindheiten der „Söhne“ einzulassen.

Donnerstag, 6. September 2018

Freiheit statt Kontrollwahn

Dorothea Assig, Dorothee Echter: Freiheit für Manager. Wie Kontrollwahn den Unternehmenserfolg verhindert. 268 Seiten. 34,95 €, Campus Verlag

„Ambition“, das erste Buch des Autorinnen-Duos, habe ich bereits mit Begeisterung gelesen. Darin geht es um den Quantensprung vom mittleren Management zur "Oberliga". Er gelingt erst wirklich, wenn der Schwerpunkt nicht mehr allein auf der eigenen Leistung liegt, sondern außerdem Know-how für eine gute persönliche Verbindung zu Gleichrangigen anderer Bereiche, die sogenannte „Community-Kompetenz“, entwickelt wird. Treibende Kraft ist dabei die Ambition, (von lat. ambitio, Ehrgeiz) im Sinne eines höheren Strebens. Es geht darum, Ideen zu verwirklichen, für die man brennt, mit denen man die Welt verbessern und bereichern möchte.
Dieses Buch nun ist eine Fortsetzung, aber durchaus eigenständig lesbar. Assig und Echter sprechen darin weniger den einzelnen Manager oder die Managerin an (obwohl das auch nicht zu kurz kommt), sondern hinterfragen das gesamte System. Während ihrer langjährigen Erfahrung als Coaches von Top-ManagerInnen haben sie immer wieder festgestellt, wie sehr übermäßige Kontrolle Entfaltung verhindert. Auf der Basis ihrer Forschung haben sie Tools für ein „Ambition Management“ entwickelt, das ohne Tests, Assessment Centers, Rankings und andere strikte Kontrollmechanismen auskommt. Stattdessen wird den Führungskräften Freiheit zur Entfaltung gewährt. Ein bedeutsamer Schritt ist dabei, die eigene Größe zu erkennen und auszuleben. Die hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, sondern ist das Bewusstsein, mit dem eigenen Talent und den individuellen Fähigkeiten viel bewirken zu können.
Das Buch ist ein im wahrsten Sinne des Wortes ambitionierter Leitfaden für das obere Management und es ist sehr zu wünschen, dass möglichst viele Menschen in Führungspositionen seine Botschaft verinnerlichen. Doch auch für LeserInnen in weniger prominenten Arbeitsverhältnissen dürfte es interessant sein, denn die von den Autorinnen entwickelten Werkzeuge inspirieren zum Umdenken in Bezug auf die eigene berufliche Situation.

Donnerstag, 30. August 2018

NICO

Tobias Lehmkuhl: Nico. Biographie eines Rätsels. 271 Seiten. 24.- €. Rowohlt Berlin.

Wer war diese Frau, eine der bekanntesten Ikonen der 60ziger Jahre? 1938 als Christa Päffgen geboren, gibt sie sich den Künstlernamen Nico. Blond, langhaarig, bildschön und irgendwie nicht von dieser Welt arbeitet sie zunächst als Model in Paris. Später versucht sie sich als Filmschauspielerin, etwa in Felllinis „Dolce Vita“. Sie bekommt ein Kind von Alain Delon, das sie vernachlässigt. Ihre Glanzzeit erlebt sie als Muse von Andy Warhol in seiner Factory. Mit der dort entstandenen Band „Velvet Underground“ feiert sie Erfolge. Ihre Liebhaber zählen  zum Who is Who der Rockszene. Als Sängerin findet sie ihren eigenen Stil. Mit ihrer Drogensucht zerstört sie sich schließlich selbst. Nico – ein wildes, selbstbestimmtes Leben in den 60ziger Jahren.
Der Journalist Tobias Lehmkuhl hat die Biographie dieser exzentrischen Frau geschrieben. Kein einfaches Projekt, immerhin hat die Protagonistin gerne falsche Fährten gelegt und haarsträubende Geschichten über sich erfunden. Man spürt, wie intensiv und mühsam sich der Autor durch die widersprüchlichen Zeugnisse ihres Lebens ackern musste. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er dabei auf gefällige, romanhafte  Beschreibungen verzichtet hat. Wo man nichts Genaues weiß, setzt er mutig Fragezeichen. Spannend und gut geschrieben ist die mit einigen  Fotos angereicherte.Dokumentation trotzdem.
Am Ende hat man als LeserIn ein Bild von Nico. Gleichzeitig bleibt es vage und geheimnisvoll Das liegt jedoch an ihrer Persönlichkeit, nicht an ihrem sorgfältigen Chronisten. Wer sich für die Sixties und ihre Idole interessiert, erhält mit diesem Buch ein spannendes, interessantes Porträt.
  

Montag, 27. August 2018

Unglaublich, aber wahr

Hera Lind: Mein Mann, seine Frauen und ich. Roman nach einer wahren Geschichte. 400 Seiten. TB 9,99 €. Diana Verlag

Geschichten, die das Leben schrieb…Hera Lind, ursprünglich Autorin flotter fiktiver Frauenromane, hat sich inzwischen darauf spezialisiert, dramatische Erfahrungen von Frauen romanhaft wiederzugeben. Dass es sich um wahre Erlebnisse handelt, macht den Reiz der Lektüre aus. Als Leserin kann man wohlig erschauernd denken: „Das darf doch nicht wahr sein!“. So wie bei dieser Geschichte:
Nadia, eine geschiedene Frau um die 40 verliebt sich in den smarten Iraker Karim, der einen Aufenthaltsstatus in den Niederlanden hat. Das Problem ist nur: Karim hat bereits eine Frau und zwei Kinder. Doch als Muslim darf er bis zu vier Frauen heiraten. Deshalb ist er auf der Suche nach einer zweiten Frau, die ihm Liebe und Wärme schenkt. Nadia, die eine Vorliebe für alles Orientalische hat, ist ihm von Freunden empfohlen worden. Nur kurze Zeit nach ihrem ersten Treffen hält er um ihre Hand an. Total verliebt stimmt Nadia der Heirat zu. Tatsächlich trägt er sie lange Zeit auf Händen. Sie geht mit ihm in den Oman, wo sie sich als Frau konservativsten islamischen Regeln unterwerfen muss. Als später noch eine dritte und vierte Frau hinzukommt, verlässt Nadia nach mehreren halbherzigen Trennungen ihren Ehemann endgültig und lebt seitdem als Single auf einer kanarischen Insel.
Beim Lesen fragt man sich, was um Himmelswillen die Protagonistin dazu gebracht hat, sich als emanzipierte Frau freiwillig so einem restriktiven Frauenbild anzupassen. Gleichzeitig ist es faszinierend, einmal einen Insiderblick in die konservative islamische Welt zu werfen. Hera Lind hat das sehr respektvoll beschrieben, so dass sich sowohl der Reiz als auch die Problematik erschließen. Ein spannendes Buch und eine gute Urlaubslektüre.  

Dienstag, 21. August 2018

Sei mal still!


Erling Kagge: Stille. Ein Wegweiser. 140 Seiten. 14.- €. Insel Verlag
Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je? Mit diesen drei zentralen Fragen macht sich der norwegische Verleger, Abenteurer und Familienvater Erling Kagge auf die Suche nach dem Wesen der Stille. Nicht ohne Grund trägt das Buch den Untertitel "Ein Wegweiser“: Der Autor will keine Definitionen oder allgemein gültige Antworten geben, sondern dazu anregen, eigenständig über Stille nachzudenken. Philosophisch behandelt er das Thema und untermalt es immer wieder mit eigenen Erlebnissen. Etwa mit Erfahrungen während seiner einsamen Wanderung zum Südpol oder seinem Gang durch die Kanalisation New Yorks. Dabei streift der ebenso gebildete wie weit gereiste Autor auch wie beiläufig japanische Dichtkunst, Musik, wissenschaftliche Experimente und die Aussagen philosophischer Geistesgrößen. Im Rahmen meiner Dissertation über Glücklichsein stieß ich seinerzeit auf den Satz: „Das Glück kann man nicht definieren, man kann es nur umkreisen.“ Das gilt offenbar auch für die Stille. Kagge umkreist sie in kluger, weitläufiger und sehr persönlicher Art. Ergänzt und illustriert wird der Text durch Natur-Fotos und Grafiken.
Wer sich eine persönliche Anregung wünscht, erhält sie mit diesem Buch auf unterhaltsame und leicht lesbare Weise. Eine stringente, eher wissenschaftliche Betrachtung darf man jedoch nicht erwarten - aber darauf hat der Untertitel ja schon hingewiesen.