Freitag, 28. Juli 2017

Familienchronik

Friederike Oeschger, Babette Radke: Die Mossdorfs. Das Schicksal einer Berliner Familie im 20. Jahrhundert. 320 Seiten. 22.- €. Hoffmann und Campe

Manchmal kommt man auf Umwegen zu einem Buchtipp: Auf einem Event erzählte mir Friederike Oeschger, dass ihre Familiengeschichte als Buch erschienen sei. Ich war neugierig – und entdeckte eine Lektüre so interessant wie eine TV-Dokumentation und berührend wie ein Historienfilm.
90 Jahre lang war die Familie Mossdorf in der Prinzregentenstraße 83 in Berlin-Wilmersdorf zu Hause. Nach dem Tod von Rosemarie Mossdorf, der letzten Bewohnerin, finden ihre Nichten Friederike und Babette bei der Wohnungsauflösung zahllose Briefe, Tagebücher und Fotoalben von Familienmitgliedern. Die Nachkommen beschließen, diesen Schatz aufzuarbeiten. Die Geschichte der gutbürgerlichen Familie Mossdorf vom Kaiserreich über den Nationalsozialismus bis hin zum Mauerfall erlaubt einen besonderen Einblick in die Zeit. Sie beginnt mit Otto Mossdorf, der als junger preußischer Offizier die wohlhabende, patente Else Krause heiratet und endet mit ihrem jüngsten Sohn Carl-Friedrich, dem Vater der beiden Autorinnen.
Belegt wird die Chronik mit vielen Zitaten und Fotos. Besonders angenehm ist die sachliche Beschreibung der Ereignisse. Hier hat gewiss die kundige Hand des Co-Autors Michael Seufert gewirkt, ehemals Journalist beim „Stern“. Auf emotionale Effekte oder Urteile wird verzichtet, so dass es dem Leser und der Leserin überlassen bleibt, sich eine Meinung zu bilden. Allenfalls blitzt manchmal eine charmante Ironie durch. Etwa als die monarchietreue Else mit ihrer Tochter während einer Reise auf Madeira zur Grabeskirche Karls von Habsburg, dem letzten Kaiser von Österreich-Ungarn, pilgert. Da heißt es kurz: „Aber auch ein toter Kaiser war allemal einen Besuch wert.“ 
Ein empfehlenswertes Buch für alle, die sich für Familiengeschichte und historische Zusammenhänge interessieren.
 

Sonntag, 23. Juli 2017

Es brennt!

Anja Förster & Peter Kreuz: Zündstoff für Andersdenker. 173 Seiten. 24,90 €. Murmann Verlag

Wenn wir ein Streichholz anzünden, gibt es zwei Möglichkeiten: Wir blasen es aus, bevor wir uns die Finger verbrennen – oder wir zünden damit eine Kerze oder den Grill an und haben lange etwas davon. Das ist unsere Wahl. Das Buch von Förster und Kreuz steckt jedenfalls voll  mentalem Zündstoff, von dem wir uns entweder kurzfristig inspirieren lassen oder den wir als Anstoß für eine dauerhafte Veränderung nehmen können. Themen sind unter anderem Initiative, Kreativität, Engagement, Authentizität, Teamwork, Fantasie, Mitarbeiterführung – so ziemlich alles, was in der Wirtschaft von Bedeutung ist. Jedes Kapitel steht für  sich und beleuchtet auf 2, 3 Seiten einen Aspekt. Dazu steigt das Autorenpaar jeweils mit einer ungewöhnlichen Story ein, wie wir sie aus ihren Blogs, Kolumnen und Newsletters kennen. Etwa die von Ella Fitzgerald. Als sie bei einem Auftritt den Songtext vergessen hatte, improvisierte sie erfolgreich – hier ein Beispiel für den Wert von flexiblen, individuellen Reaktionen, und ein Lob der Unvollkommenheit.
Insgesamt viel Anregung zum Quer- und Selberdenken, im gewohnt lässigen und gleichzeitig präzisen Förster-Kreuz-Sprech.
Der Zündstoff ist in einer attraktiven Box verpackt: Großzügiges Layout und viele farbige grafische Illustrationen (sinnig: alle in gelb-rot wie Feuer).
Streichhölzer? Für manche vermutlich ein Molotowcocktail.       

Dienstag, 18. Juli 2017

Bestes Handwerkszeug zum Bloggen

Markus Cerenak: Erfolgsfaktor Bloggen. 259 Seiten. 22,90 €. Gabal Verlag

Mit Lust und Leidenschaft fülle ich diesen Rezensionsblog und auch den Blog „Eva Wlodarek schreibt“ (http://wlodarek.blogspot.de/), in dem ich allerlei rund um die Psychologie betrachte. So ist es kein Wunder, dass mich das Thema von Cerenaks Buch interessierte. Gewiss geht das auch vielen anderen so, die schon einen Blog betreiben oder es vorhaben, weil sie sich gerne mitteilen. Der Autor verspricht, alles zu liefern, was man braucht, um einen Blog zu starten oder einen bestehenden noch erfolgreicher zu machen. Dieses Versprechen hält er zu 100 Prozent. Er informiert nicht nur über methodische Details, sondern geht grundlegenden Fragen nach: Warum blogge ich? Was will ich vermitteln? Wie erreiche ich meine LeserInnen? Welche Fehler kann ich vermeiden? Dabei schreibt er so verständlich und locker, dass auch diejenigen, die (wie ich!) in puncto Technik eher scheu sind, mit Sicherheit alles bestens nachvollziehen können. Und damit es nicht nur bei der Theorie bleibt, gibt es nach jedem Kapitel konkrete Aufgaben, die Anfänger und Profis weiterbringen. 
Das Buch hat mich begeistert und mir viele Aha-Erlebnisse beschert. Eine wahre Bibel für Blogger und solche, die es jetzt endlich werden wollen. Ganz nebenbei enthält es auch wertvolle Hinweise für alle, die Artikel oder Bücher schreiben.
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Samstag, 15. Juli 2017

Rück- und Vorschau

Michael Jürgs: Gestern waren wir noch jung. Eine Liebeserklärung an aufregende Zeiten. 343 Seiten. 19,99 €. C.Bertelsmann.

Ich habe Michael Jürgs noch als jungen Mann kennengelernt - er saß im berühmten „Affenfelsen“ von Gruner & Jahr beim "Stern", ich bei der „Brigitte“. Tempi passati. Jetzt  hat er also mit 72 Jahren ein Buch über die alten Zeiten  geschrieben. Am Anfang bringt er auch tatsächlich eine Rückschau auf die Sixties und Seventies: Die APO, Studentenrevolten, die Beatles, Willy Brandt. Doch dann ist auch Schluss mit allgemein teilbaren Erinnerungen. Ab da geht es vor allem um die Veränderung im Journalismus. Jürgs schlägt ausführlich den Bogen von der analogen zur digitalen Welt und mischt dabei persönliche Erfahrungen in der Medienlandschaft mit profunden Kenntnissen, wie sie sich seit damals verändert hat. Das tut er mit einer sehr gekonnten Sprache, er ist halt Profi.
Das Buch ist interessant und informativ, ich habe es gerne gelesen. Allerdings bin ich etwas ratlos, welcher Zielgruppe ich es empfehlen soll. Für Nostalgiker ist es jedenfalls nicht so recht geeignet, die werden enttäuscht sein. Eigentlich ist es für diejenigen, die den Übergang vom analogen ins digitale Zeitalter mit dem Schwerpunkt „Medien“ nachvollziehen möchten.