Samstag, 23. August 2014

Begegnung mit einer weisen Frau

Barbara Sher: Für deine Träume ist es nie zu spät. Durchstarten in der zweiten Lebenshälfte. DTV premium. 354 Seiten . 16,90 € 

Nehmen wir mal dieses Szenario an: Sie sind älter als 40 Jahre. Bisher haben Sie alles dafür getan, erfolgreich und glücklich zu sein. Im großen und ganzen hat das auch geklappt: Guter Job, Familie, Partnerschaft - alles im grünen Bereich. Trotzdem fragen Sie sich, ob das wirklich alles gewesen ist. Und Sie sind unzufrieden, weil Sie obwohl Sie sich angestrengt haben, doch nicht so weit gekommen sind, wie Sie es seinerzeit erhofften. Kurz, Sie befinden sich offenbar in der berühmten Midlife Crisis. In diesem Zustand treffen Sie auf eine weise Frau, die Ihnen genau erklärt, was mit Ihnen los ist. Gleichzeitig raubt sie Ihnen liebgewordene Illusionen, etwa die, dass eine Weltreise, Ruhm und viel Geld Ihren Status quo ändern würdne, oder dass Sie mit den richtigen Aktivitäten Ihre Jugend behalten könnten. Sie legt den Finger auf  die Wunde, dass  Ihre Träume längst der Realität zum Opfer gefallen sind. So ehrlich, deutlich und klar  haben Sie das bisher noch nicht gehört. Ihnen fällt es wie Schuppen von den Augen: Die weise Frau hat recht. Aber bevor Sie nun deprimiert sind und resignieren, kommt die gute Nachricht: Sie sind jetzt reif genug, um die Dinge zu durchschauen und Ihr Leben zu ändern. "Für deine Träume ist es nie zu spät" versichert die weise Frau. Und das ist nicht nur ein oberflächlicher Spruch, denn sie sagt Ihnen auch genau, wie Sie Ihr Leben ändern können. Sie nennt das "Ihr zweites Leben". Es führt sie zurück zu Ihrem ursprünglichen Selbst, zu dem, was Ihnen wirklich Freude machen und Sie erfüllen wird.
Eine schöne Fantasie? Nein, ein wunderbares Buch. Die weise Frau ist die Autorin Barbara Sher.
Nach meinen Berechnungen müsste sie 60 + sein, also  in einem Alter, in dem man das Leben kennt und das Recht hat, etwas darüber zu sagen. Während ich die immerhin 354 Seiten las, hatte ich das Gefühl, von einer weisen Frau sehr liebevoll beraten zu werden. Analysen, Übungen und Fallbeispiele geben dazu eine konkrete Strategie, wie man seinen oft verschütteten Träumen auf die Spur kommt und die Chance auf einen großartigen Neubeginn nutzen kann. Nicht unbedngt, indem man aus seinem Alltag aussteigt (obwohl auch das möglich ist), sondern indem man endlich innere Freiheit gewinnt.
Für alle heimlich Unzufriedenen, von ihrem bisherigen Leben zumindest leicht Enttäuschten, Rebellischen und Verträumten. Oder: für alle über 40. 



Mittwoch, 6. August 2014

Herz aufräumen!

Safi Nidiaye: Das befreite Herz. Von der Wohltat des emotionalen Aufräumens. Allegria. 
253 Seiten. 8,99 €
Hatten Sie schon mal den Eindruck, Ihr Gefühl - z.B. Neid. Wut, Ärger, Traurigkeit - sei eigentlich gar nicht Ihres? Weil es weder zu Ihrer gegenwärtigen Lebenssituation noch zu Ihrer Persönlichkeit passte? Tatsächlich ist es möglich, dass Sie dieses Gefühl von einem anderen Menschen übernommen haben. Als ehemalige Psychotherapeutin kenne ich das professionell als Gegenübertragung. Aber auch privat habe ich es erlebt, etwa als eine mir völlig unverständliche Niedergeschlagenheit. Die endete in dem Moment, in dem mir klar wurde, bei wem ich mich da "angesteckt" hatte.
Safi Nidiaye hat nun ein großartiges und wirkungsvolles Buch zu diesem Phänomen veröffentlicht. Ihr Ansatz, den sie als Expertin für Gefühle auch schon in anderen Büchern beschrieben hat, lautet in Kürze so:
  • Wir  identifizieren das Gefühl, indem wir es benennen und in unserem Körper erspüren.
  • Wir überlegen, was dieses Gefühl verlangt, etwa Mitgefühl, Anerkennung oder die Erlaubnis, sein zu dürfen. Die Autorin nennt das "den Herzensschlüssel finden."
  • Wenn nichts davon passt und uns nicht befriedigt, könnte es sich um ein übernommenes Gefühl handeln. Das kann eine aktuelle Emotion sein, aber durchaus auch eine sehr alte , die wir schon als Kind von einem Eltenrteil übernommen haben.
  • Wir fragen uns von wem das Gefühl wohl kommt und geben es an den Verursacher zurück.
Safi Nidiaye beschreibt den Vorgang ausführlich und mit Beispielen. So ist es möglich, sich selbst in Eigenregie von fremden Einflüssen zu befreien.
Das klingt esoterisch oder gar magisch?  Als Psychologin kann ich Ihnen versichern: Die Anleitung ist keineswegs abgehoben, sondern klar, konkret und praktisch. Wenn Sie bereit sind, sich auf Ihre Gefühle - auch die schmerzhaften und fürs Ego wenig schmeichelhaften - einzulassen, können Sie sich damit von unnötigem Gefühlsballast befreien und mehr Sie selbst sein. 

Dienstag, 5. August 2014

Keine Panik!

Thomas Hohensee: Wie ich meine Angst verlor und wie Ihnen das auch gelingen kann. 
Deutscher Taschenbuch Verlag. 155 Seiten. 14,90 €

Etwas vergrätzt war ich zwischendrin schon: Thomas Hohensee hält Psychotherapie im Prinzip für unwirksam und ihre VertreterInnen für überwiegend unfähig oder unsensibel. Das geht mir weniger gegen meine Berufsehre - immerhin habe ich seinerzeit 20 Jahre als Psychotherapeutin gearbeitet und laut Rückmeldung meiner KlientInnen erfolgreich -, vielmehr bin ich besorgt, dass auf diese Weise bedürftige Menschen abgeschreckt werden, sich professionelle Hilfe zu holen. Stattdessen fallen sie dann dubiosen Coaches in die Hände, die ihr psychologisches Wissen im Crashkurs erworben haben. (Ja, ich weiß, es gibt auch gute Coaches, lieber Herr Hohensee!). Doch ich gebe zu, teilweise hat der Autor mit seiner Kritik durchaus recht. Schließlich verweise ich selbst aus gutem Grund nur an wenige  handverlesene KollegInnen meines Vertrauens, und darunter sind  keine Psychoanalytiker.
Außerdem, Hohensees Buch ist ein Erfahrungsbericht, wie er seine Ängste überwunden hat, und als solcher darf er gerne subjektiv sein. Gerade seine persönliche Geschichte, die er ehrlich und uneitel beschreibt, kann Menschen mit Panikattacken Mut machen, sich in Eigenitiative zu befreien. Die von ihm ausprobierten und erläuterten Methoden zur Bewältigung sind dafür ausgezeichnet, vor allem die Rational-emotive Therapie nach Albert Ellis und die von Gary Emery entwickelte ACT-Methode. Sie basieren auf der schon in der Antike bekannten Erkenntnis, dass unsere Gefühle und unser Handeln durch unsere Gedanken bestimmt werden. Mit diesem Ansatz kann  jeder an sich arbeiten. Wobei der Autor betont, dass es sich tatsächlich um Arbeit handelt. Das  eigene Denken zu verändern, ist ein lebenslanger Prozess, der Aufmerksamkeit und Disziplin verlangt.  Dafür wachsen Selbstvertrauen und Gelassenheit. 
Ein inspirierender Wegweiser für Ängstliche, für Therapiefrustrierte und für alle, die in ihrem Leben eigenständig etwas verändern möchten.