Freitag, 18. April 2014

Gehirnwäsche

Niels Birbaumer: Dein Gehirn weiß mehr als du denkst. Neueste Erkenntnisse aus der Hirnforschung. 269 Seiten.  19,99 €. Ullstein, Berlin 2014

Mögen Sie Krimis? Auch solche, bei denen es einen manchmal gruselt, weil detailliert Dinge beschrieben werden, die nicht gerade angenehm sind? Dann dürften Sie mit diesem Buch von Niels Birbaumer, Professor für Neurobiologie an der Uni Tübingen, gut zurecht kommen.

Es ist nämlich spannend zu lesen, dass wir wandlungsfähiger sind als wir denken. Nur wenige Anlagen sind in unserem Gehirn tatsächlich genetisch festgelegt. Was wir als unsere Persönlichkeit ansehen, ist eher eine von unserer Umwelt und unserem Verhalten geformte Routine. Unser Gehirn tut einfach immer nur das, was ihm in der Situation, in der es sich gerade befindet, den besten Effekt vermittelt.Bei den angeblich unveränderlichen Eigenschaften einer Persönlichkeit handelt es sich also meist um Merkmale, auf die keine Änderungsreize einwirken, so dass man sie deshalb leicht für konsistent halten kann. Wenn sich jedoch eine Situation ergibt, in der das Gehirn mit den  entsprechenden Eigenschaften nicht mehr weiterkommt,es also keinen positiven Effekt mehr erzielen kann, entfaltet es wieder seine volle Flexibilität und die Persönlichkeit ändert sich. Das bedeutet, dass wir nicht bleiben müssen, wie wir sind, sondern es selbst in der Hand haben, uns durch unser Denken und Handeln zu ändern. Wir müssen nicht depressiv, antriebsschwach, schüchtern, ängstlich, leichtsinnig, vorsichtig oder brav sein. Wir können auch ganz anders - wenn wir wirklich wollen!

Die ,manchmal gruseligen Aspekte des Buches entstehen durch Birbaumers Übertragung der  Forschungsergebnisse auf Krankheiten und Neurosen. Da wird uns nichts geschenkt. Ich fand es jedenfalls wenig lustvoll, mich mit dem Locked-in-Syndrom zu beschäftigen und mir dabei vorzustellen, wie es einem Menschen geht, der mit intaktem Gehirn in einem komplett gelähmten Körper ausharren muss. Oder über die grenzwertigen Methoden zu lesen, mit denen Bierbaumer  Angst- und Traumapatienten  heilt.

Trotzdem ist es ein lohnendes und interessantes Buch für alle, die sich  für Hirnforschung und Verhalten interessieren. Zudem ist es gut zu lesen. Der Wissenschaftler hatte beim Schreiben nämlich einen Journalisten zur Seite, der trockene oder schwierige Inhalte locker und verständlich formuliert.

Falls Sie das Buch nicht lesen, weil es das Thema doch recht speziell ist, nehmen Sie aus dieser Rezension wenigstens dies mit: Sie können Ihrem Ideal von sich selbst durchaus näher kommen.
Ich mache jetzt jedenfalls den Selbstversuch.