Freitag, 26. Dezember 2014

Glaube, Liebe, Hoffnung

Neale Donald Walsch: Die Essenz. Die 25 Botschaften aus den "Gesprächen mit Gott".
448 Seiten, 22,99 €,  Arkana
Für diese Rezension fühle ich mich besonders kompetent. Ich bin nämlich eine Pastorentochter. Was bedeutet, dass mir schon von Hause aus sämtliche göttlichen Facetten vertraut sind: Vom lieben Gott, der einem in der Not hilft über den strafenden Gott, der das (innere) Höllenfeuer anfacht  bis hin zum versöhnlichen Gott, der dem reuigen Sünder vergibt. Ich bin allerdings sicher, dass nahezu jeder von uns - auch diejenigen, die nicht (mehr) daran glauben - solche Vorstellungen verinnerlicht haben. Immerhin werden die noch heute mehr oder minder strikt von den organisierten Religionen vermittelt.
Und nun kommt Neale Donald Walsch, bekannt als Autor der Bücher "Gespräche mit Gott", und stellt dieses gewohnte Gottesbild mit 25 Thesen komplett in Frage. Etwa mit dieser:"Es gibt nichts, was du tun musst. Es gibt viel, dass du tun wirst, aber nichts, dass zu tun von dir verlangt wird. Gott will nichts, braucht nichts, verlangt nichts, befiehlt nichts." (Erzählen Sie das mal dem Papst!) Walsch` kühne Thesen entkoppeln unsere Gottesvorstellung von bedrückender, enger Moral und schenken eine große Freiheit. Was aber keineswegs bedeutet, dass wir deshalb ohne Verantwortung leben. Zu seiner spirituellen Theologie gehören auch Thesen  wie "Wir sind alle eins" und "Es ist genug da. Es ist nicht nötig, dass ihr um eure Ressourcen konkurriert, geschweige denn, euch deshalb bekämpft. Ihr braucht nur zu teilen."
Warmherzig, humorvoll und gut verständlich erläutert der Autor seine 25 "Botschaften". Beim Lesen fragt man sich, wieso man sich eigentlich nicht längst von den alten Gottesbildern verabschiedet hat. Besonders überzeugend finde ich dazu diese Überlegung: Wenn es um die Religionen und die daraus hervorgehenden globalen Werte geht, hat sich die Mehrheit der Weltbevölkerung bisher geweigert, das zu tun, was sie in jedem anderen Bereich getan hat, in der Wissenschaft, der Medizin, der Technologie. Wir beharren darauf, unser Leben im 21. Jahrhundert mit spirituellen Werkzeugen aus dem 1. Jahrhundert aufzubauen. Dass das nicht funktioniert, zeigen schon die im Namen der Religionen geführten Kriege. Es wird Zeit umzudenken und den geistigen Horizont zu erweitern.
Ein inspirierendes Buch für alle, die sich für Spiritualität interessieren, ihr Leben verändern und die Welt verbessern möchten.  
    

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Lebensmut

Peter Kürsteiner, Thomas Lindemann: 8 Jahre Fieber. Ein Buch von Mut und Hoffnung. 15 Menschen nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. 204 Seiten, Genuin Verlag 19,90 €
Ehrlich gesagt, als ich den Untertitel "von Mut und Hoffnung" las, erwartete ich emotional aufwühlende Geschichten. Solche, die einem durch ihre dramtische Aufbereitung beim Lesen die Tränen in die Augen treiben. Doch diese Art von Voyeurismus bedient dieses Buch gerade nicht. Jedes Schicksal ist wie ein Protokoll beschrieben, sachlich und knapp: Ein seltenes Fieber, Krebs, Burnout, Sucht, Depression, Körperbehinderung, Opfer eines Autounfalls und eines Banküberfalls, ein ärztlicher Behandlungsfehler, der Tod eines Kindes  - dieses Leid braucht keine künstliche Dramatik, es ist schlimm genug. Die Menschen, denen das wiederfahren ist, haben nicht aufgegeben, sie haben sich tapfer  zur bestmöglichen Normalität zurückgekämpft. Das allein ist schon sehr ermutigend. Aber außerdem bietet das Buch zu jeder Geschichte einen Experten-Beitrag. In ihm werden je nach Bedarf Hintergrundinformationen, Adressen von Vereinen und Anlaufstellen sowie Literatur genannt.
Das Buch zeigt jedem von uns auf nüchterne, klare Weise, wie zerbrechlich unser Leben in Wirklichkeit ist. Betroffenen kann es Mut machen und kompetente Hilfestellung geben.      

Freitag, 12. Dezember 2014

Berufung statt Job

Oliver Fritsch, Michaela Lang: Alles anders. Erkennen Sie Ihre wahre Berufung und werden Sie glücklich. 263 Seiten. 12,99 €, MVG Verlag
Kürzlich fragte mich der Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt in einem Interview: "Wie lange möchten Sie Ihren Beruf ausüben?" Meine spontane Antwort war: "Bis ich tot vom Stuhl falle." Weil das denn doch etwas flapsig klang, erläuterte ich: "Ich liebe alles, was ich tue." Das ist keineswegs selbstverständlich. Viele Menschen sind mit ihrer Arbeit weniger glücklich, halten aber  aus verschiedenen Gründen daran fest. Außerdem ist es gar nicht so einfach, herauszufinden, wozu man besonders geeignet ist.
Für alle diejenigen, die mit ihrem beruflichen Status quo unzufrieden sind und sich grundlegend verändern möchten, gibt das Autorenpaar Hilfestellung. Sie bezeichnen ihren Ratgeber bewusst als "Workshop". Tatsächlich muss man die Seiten mit einem Stift in der Hand durcharbeiten. Dazu ist der Kurs in sechs Schritte aufgeteilt:
1. Wo stehe ich? 2. Was bringe ich mit?  3. Was ruft in mir? 4. Wo will ich hin? 5. Was hindert mich? 6. Wir komme ich hin?
Zu diesen Themenbereichen gibt es jede Menge Checklisten und Grafiken
Der Workshop ist sinnvoll aufgebaut und umfassend. Wer sich darauf einlässt, erfährt eine Menge  über seine Stärken und Schwächen, seine Motive und Werte, seine äußeren und inneren Hindernisse.
Daraus lassen sich dann persönliche Schlüsse ziehen. Lesern und Leserinnen, die  es gewohnt sind, sich eigenständig Gedanken zu machen, kann das Buch dank seiner präzisen Anleitung ein Coaching ersetzen oder zumindest eine  gute Vorbereitung dazu sein.
Ein passender Ratgeber für alle, die sich ihre beruflichen Träume noch erfüllen möchten.

Freitag, 5. Dezember 2014

Reise(ver)führer

Nicole Adler (Hrsg): "Berlin for Women only", "München for Women", "Wien for Women only". Je ca. 200 Seiten. Brandstätter Verlag. Je 22,- € 

Im Sommer in Paris hat mein Ehemann kapituliert. Er war es leid, von einer Boutique zur nächsten  geschleppt zu werden. Ich hatte nämlich ein Buch von Ines de la Fressange zur Hand. Darin verrät das ehmalige Chanel-Model auf ganz persönliche Art unter anderem auch, wo man die Pariserin  ihre schicken Sachen kauft und gut isst. "Schade, dass es so etwas nicht auch für unsere Städte gibt." dachte ich. Der Brandtsätter Verlag hat meinen Wunsch erhört. Nun gibt es - schön aufgemacht und sehr vielseitig - eine Triologie, die zudem noch umfangreicher ist als mein Paris-Guide. Unter den Stichworten "Mode", "Shoppimg", "Essen und Trinken", "Nachtleben", "Kunst und Kultur", Theater und Festivals", "Beauty und Entspannung ", "Ausflüge" und Erholung"  findet frau die besten  Adressen. Außerdem gibt es Insider-Tipps von interessanten Bewohnerinnen der Stadt und von Prominenten. Das Ganze ist mit vielen Fotos garniert.
München und Wien muss ich demnächst mit dem jeweiligen Führer noch ablaufen, aber Berlin habe ich  schon getestet. Die empfohlenen Läden und Lokalitäten sind teilweise zwar nicht gerade preiswert, haben aber dafür Klasse und Flair. Außerdem, wer sagt denn, dass man immer kaufen muss. Gucken kann auch schön sein. Und das gilt schon mal zu allererst für diese drei Bücher.
Übrigens, Männer, das wäre ein passendes Geschenk für eure Liebste, so zum Blättern und von einem Städtetrip träumen. Ihr müsst im Ernstfall auch nicht mitgehen. 

Donnerstag, 27. November 2014

Feines Porzellan statt Pappbecher

Ashley Bush: Gelassenheit to go. Im Handumdrehen entspannt. 249 Seiten. Knaur mens sana. 9,99 €

Sich einen "Coffee to go" zu genehmigen, ist weit verbreitet. Jeder Pappbecher, der einem unterwegs begegnet, verrät: Da hat es jemand so eilig, dass er sich zum Kaffeetrinken nicht setzen kann.
Was Wunder also, dass ich hinter dem Titel "Gelassenheit to go" ähnliches vermutete: Praktische Tipps für Vielbeschäftigte, die in allerkürzester Zeit wieder fit machen. Umso überraschter  war ich, das "to go" hier eine ganz andere Bedeutung hat. Die Psychotherapeutin Ashley Bush, benutzt es nicht im Sinne von "eilig", sondern verbindet kleine Achtsamkeitsübungen mit  alltäglichen Verrichtungen. Das geschieht jeweils nach dem gleichen Schema: Erst wird der Impuls, d.h. die jeweilige Situation, genannt, z.B. "Streit mit einem geliebten Menschen" oder "Unter der Dusche". Darauf folgt eine Methode, die in dem Fall gelassener macht. Dann beschreibt Ashley Bush dazu ein persönliches Beispiel aus ihrer eigenen Erfahrung. Zum Schluss folgt unter der Rubrik "Zweck" eine Erklärung, wie und warum die Übung funktioniert.
Ein Beispiel: Impuls: Beim Haarewaschen. Methode: Geben Sie etwas Shampoo in Ihre Hand und riechen Sie daran. Schließen Sie die Augen, und während Sie die Haare einschäumen, träumen Sie sich an einen wunderbaren Ort in weiter Ferne.
Auf diese Weise erhält man eine Fülle wunderbarer kleiner Anleitungen, die zudem noch gut sortiert sind, etwa in Übungen, die sich in den Alltag integrieren lassen, die Beziehungen verbessern, die Sinne schulen, den Geist beruhigen oder das Herz öffnen.
Das Buch ist ein echter Schatz, mit viel Liebe, Fantasie und Kenntnis geschrieben. Genießen Sie es mit einer guten Tasse Kaffee. Im Sitzen!    

Freitag, 21. November 2014

Kopfwäsche

Boris Grundl: Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen, was jeder haben will. 296 Seiten. Econ Verlag, 18.00 €

Der Titel "Mach mich glücklich" verrät es bereits: Es geht um unsere Anspruchshaltung. Tatsächlich verlagern wir meist unbewusst unser Streben nach Glück auf andere Menschen, sei es in persönlichen  Beziehungen oder im beruflichen Kontext. Von ihnen erwarten wir, dass sie unser Wohlbefinden fördern.
Im Privatleben fordern wir indirekt: Liebe mich. Wertschätze mich. Lass mich gut dastehen. Mach mich stolz. Beschütze mich. Respektiere mich.
Im Job klingt es dann so: Motiviere mich. Lobe mich. Gib mir positives Feedback. Bezahle mir mehr. Bring mein Leben in Ordnung.
Auch Staat und Gesellschaft werden gebeten: Sichere mich ab. Bilde mich. Gib mir einen Job. Mach mich gesund. Sorge für mich.  
Diese inneren Abhängigkeiten machen uns nicht nur unfrei, sondern verhindern auch, dass wir unsere  eigene Stärke entwickeln. Darauf weist Boris Grundl hin und verlangt Änderung. Seine Position erläutert er imVorwort:"Je mehr ein Mensch sich selbst erkennt, desto mehr bleibt er bei sich, statt sich in der Außenwelt zu verlieren."  Und: "Je bewusster ein Mensch lebt und Entscheidungen trifft, desto klarer wird ihm seine Verantwortung für sein eigenes Leben."
Der Aufruf zur emotionalen Unabhängigkeit klingt für zarte Ohren nicht immer angenehm. Grundl redet nämlich Klartext, und das durchaus oft diktatorisch nach dem Motto "So sehe ich es, so ist es, basta!" Das wirkt an einigen Stellen etwas selbstgerecht, doch insgesamt ist dieser Ton genau richtig, um aufzuwecken. Und was vor allem  überzeugt und dem Autor die Lizenz gibt, derart den Finger auf die Wunde zu legen, ist sein eigenes Schicksal. Seit einem Unfall  ist Grundl querschnittsgelähmt. Aus eigener Kraft hat er sichzu einem erfolgreichen Unternehmer und Coach entwickelt.  Er weiß, wovon er spricht.
Kein gemütliches Buch, bei dessen Lektüre man sich wohlig verstanden fühlt. Dafür ein interessantes und hilfreiches.Manchmal ist es durchaus sinnvoll, einmal so richtig den Kopf gewaschen zu kriegen, damit man weiterkommt. .


Montag, 10. November 2014

Kochen in der Kombüse

Kombüsengold. 32 Rezepte und Herdgeschichten von See . Autor: Kai Schächtele. Fotograf : Thomas Duffé. 220 Seiten, Ankerherz Verlag, 29,99 €

Mein Mann und ich sind leidenschaftliche Segler. Er segelt - und ich liege an Deck unserer "Manati". Manchmal gibt es Ärger, wenn ich ein Tau lösen soll (ja. ich weiß, das heißt korrekt anders) und dann am falschen ziehe. Zum Glück findet das Malheur nicht am Kap der guten Hoffnung statt sondern am Plöner See. Üppig kochen erlaubt die Größe unseres Bootes nicht. Wir können nur ein paar Sandwiches an Bord nehmen. Aber das bedeutet nicht, dass mich nicht interessiert, was in puncto Küche so auf den Schiffen dieser Welt los ist. Und dazu hat der Ankerherz-Verlag ein  tolles Buch herausgegeben.
Sie finden darin gut gemachte Fotos von Köchen auf hoher See, als Porträt oder in Aktion. Sie berichten von ihrem K(n)ochen-Job und erzählen auch so manche unterhaltsame Anekdote. Dazu gibt es  Rezepte, die naturgemäß ebenso einfach wie lecker sein müssen, denn aufwändig Kochen auf engem Raum geht nicht und mit enttäuschten Seeleuten ist nicht gut Kirschen essen.
Ein Buch mit multiplem Gewinn: Es vermittelt eine Prise Fernweh, stillt die Neugier darauf, wie es in der Bordküche zugeht und gibt Impulse nicht nur für Yachtbesitzer, sondern auch für die heimatliche Küche. Nur eines habe ich beim Lesen dieses Buch bedauert: Ich bin Vegetariern und kann deshalb die sich durchaus köstlich lesenden Fleischrezepte nicht nachbasteln. Aber ich verstehe schon: Ganze Männer brauchen was Ordentliches.     

Samstag, 1. November 2014

Tierisch gut

Peter Weißbach: Vom Kreuchen und Fleuchen. Fotos und Verse. Iris Kater Verlag. 

Ich traf den Künstler beim Brunch mit Freunden. Dass kürzlich von ihm ein Buch erschienen ist, erfuhr ich nur per Zufall. Er hatte auch keines dabei, der Gastgeber half mit seinem Exemplar aus.
Lieber Peter Weißbach, warum so bescheiden? Das kleine Buch ist hinreißend und verdient es, groß herauszukommen. Weil es so originell und witzig ist.
Der Autor hat in mehreren Ländern Graffiti fotografiert. Nicht irgendwelche, nur Tiermotiove.
Die Sammlung ist beachtlich und reicht vom Affen bis zum  Zebra, in lockerer Reihenfolge.
Das allein wäre schon interessant. Aber dazu hat er mit viel Witz und Wärme jeweils das passende Gedicht gemacht. Robert Gernhardt und Joachim Ringelnatz lassen grüßen! Hier ist eine Kostprobe.

Zu einem Hasengraffito:
Ihn erreichen aus der Küche
sehr verdächtige Gerüche.
Doch halt!
Kein Grund davonzurasen,
denn heute gibt es falschen Hasen

oder diese, zu einem Tiger-Grafitto:

Der Löwe sagt zur Löwin, er gestehe,
dass er zur Leopardin gehe.
Das Löwenweibchen sagt, das tu ma,
dann tiger ich zum nächsten Puma!

Wenn Sie sich ein Lächeln ins Gesicht zaubern möchten oder jemandem ein hübsches Geschenk machen wollen, dann bestellen Sie dieses Büchlein im Buchhandel.(Der Autor hat es im Selbstverlag herausgebracht).

Freitag, 24. Oktober 2014

Wege der Liebe

Hubertus Meyer-Burckhardt: Die kleine Geschichte einer großen Liebe. Roman. Lübbe Verlag. 217 Seiten. 18.- €

Das italienische Restaurant "La Bruschetta" gibt es wirklich,  Dorotheenstraße 36, 22301 Hamburg. Sie sollten es vielleicht einmal besuchen, wenn Sie sich nach der großen Liebe sehnen. Hubertus Meyer-Burckhardts Romanfiguren haben sie dort jedenfalls gefunden:  Susan, Journalistin aus Zürich, und Simon, ehemaliger Manager.
Susan ist von der Chefredaktion ihrer Zeitschrift nach Hamburg geschickt worden, um langjährige Paare über die Geschichte ihrer Liebe zu befragen. Ins "Bruschetta" ist sie zufällig geraten. Simon ist dort Stammgast. Und er weiß auf den ersten Blick: Diese Frau zieht ihn magisch an. Sie kommen miteinander ins Gespräch und beschließen, die geplanten Interviews gemeinsam im Restaurant zu führen. Von da an verbinden sich die Liebesgeschichten der Paare mit der wachsenden Zuneigung von Susan und Simon. Wer jetzt schon ein Happyend erwartet, wird   allerdings enttäuscht. Die beiden  sind keine jungen Leute, die sich verliebt aufeinanderstürzen. Gescheiterte Beziehungen haben Narben hinterlassen. So endet eine gemeinsame Nacht im Hotel mit seelischer, nicht mit körperlicher Nähe. Vor allem Susan hat Angst, sich einzulassen und fährt Hals über Kopf nach Zürich zurück. Simon beschließt, von Hamburg zu ihr in die Schweiz zu wandern, um sich und ihr Zeit zum Nachdenken zu lassen. Unterwegs schreibt er Tagebuch und schickt Susan Postkarten. Ein langsames äußeres und inneres Sichannähern von beiden Seiten beginnt, das bei einem Italiener in Zürich voller Hoffnung endet.
Das große Thema des Romans ist, wie der Titel schon sagt, die Liebe. Durch die Geschichte der interviewten Paare  und die eingestreuten philosophischen Betrachtungen wird sie mit ganz unterschiedlichen Facetten beleuchtet. Dabei ist der Roman eher behutsam als dass er Spannung aufbaut. Nichts für eilige LeserInnen. Doch am Ende saß ich da und dachte über die Liebe nach. 

Freitag, 17. Oktober 2014

Schöner scheitern

Scott Adams: Die Kunst des erfolgreichen Scheiterns. Was wir vom Dilbert-Erfinder lernen können. Redline Verlag, 326 Seiten, 19,99 €

Der Philosoph Sören Kierkegaard hat gesagt: "Das Leben wird vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden". Diese Tatsache  kann durchaus zu subjektiven Interpretationen führen. So kommt es wohl, dass viele Autobiografien wahre Heldensagen sind: Der berühmte Mensch wusste schon im zarten Kindesalter, dass er zum ...geboren war. Mit Elan kämpfte er sich dann geradlinieg durch alle Schwierigkeiten, um schließlich bravourös sein Ziel zu erreichen.

Hier kommt nun der inspirierende Gegenentwurf zu den üblichen glamourösen Lebensrückschauen.Dabei handelt es sich keineswegs um die Beichte eines Losers: Scott Adams, Zeichner der bekannten Dilbert-Comics, die den Büroalltag auf die Schippe nehmen, bezeichnet sich zu Recht als reich und berühmt. Doch der Weg dorthin war voller spektakulärer Misserfolge. So ging er zum Beispiel mit einem Restaurant pleite oder schlug naiv eine Aufstiegsmöglichkeit in den Vorstand einer Bank aus. Auch gesundheitlich erlebte er den Supergau, konnte plötzlich nicht mehr zeichnen und verlor seine Stimme.
Das alles erzählt Adams ehrlich und  mit Humor. Er verschweigt dabei auch nicht, wie viel zufälliges Glück zu einer gelungenen Karriere gehört. Das allein ist schon ermutigend für uns Normalos, die wir uns mit Versuch und Irrtum durch Leben kämpfen. Doch der besondere Gewinn des Buches ist, dass uns der Autor an seinen aus Scheitern gewonnenen Erfahrungen teilhaben lässt. Und die sind für das eigene (Berufs-)Leben goldwert und äußerst hilfreich. Etwa die Erkenntnis, dass es sinnvoller ist, sich systematisch in dem zu verbessern, was man gerne tut, als verbissen auf ein Ziel hinzuarbeiten. Zitat dazu: "Ein Ziel ist etwas Spezifisches, dass man irgendwann in der Zukunft erreicht oder auch nicht. Ein System  ist etwas, das man regelmäßig anwendet und dass die Chancen auf Zufriedenheit langfristig steigert. Wenn man etwas jeden Tag macht, dann handelt es sich um ein System."
Der Autor schafft es, dass man sich verstanden und gut beraten fühlt. Ein erfrischendes, kluges, mutmachendes Buch für alle, die im Job etwas erreichen möchten.   

Freitag, 10. Oktober 2014

Oh Udo!

Udo Walz, Coiffeur. Jede Frau ist schön.  256 Seiten,  Quadriga Verlag ,24,99 €

Es ist schon erstaunlich, wie viele Frauen angeblich nur gelegentlich im Wartezimmer vom Zahnarzt oder beim Frisör etwas über das Leben von Prominenten gelesen haben. Dafür sind sie dann überraschend gut informiert. Ich jedenfalls oute mich hiermit ehrlich als generell am Wohl und Wehe der Schönen und Reichen interessiert - natürlich nur aus psychologischem  Interesse.  Ich finde es faszinierend, wie Selbstdarstellung funktioniert. Wie es Menschen gelingt, so erfolgreich zu sein, dass jeder ihren Namen kennt. Und was sie wohl verbergen, um ihr Image nicht zu gefährden. Von daher war und bin ich für viele RedakteurInnen eine gute Interviewpartnerin, wenn sie ein Statement zu einem medialen Ereignis haben möchten. Mich muss dazu keiner aus dem Elfenbeinturm holen, ich bin auf dem Laufenden.

Diesmal ist in meinem Focus Udo Walz, der Berliner Starfriseur. Anlässlich seines 70. Geburtstags (!) hat der Quadriga-Verlag eine Autobiographie mit Originalfotos herausgebracht, sozusagen einen  Bildband mit viel Text. Es ist schon spannend, zu lesen, wie sich ein junger schwäbischer Friseur mit Fleiß, Können und Fortune im Laufe der Jahrzehnte in die Oberliga geschafft hat. Sein Leben wird dabei in vier Kapitel verpackt: 1. Hoch hinaus: Die ersten Erfahrungen als Friseur in Deutschland und der Schweiz. 2. In die weite Welt: Erlebnisse auf vielen Reisen im Rahmen der Modefotografie, z.B. für die "Brigitte" (Was mich als ehemalige Psychologin und Autorin der Zeitschrift natürlich besonders interessierte). 3. Berlin, Berlin: Der Kontakt in Walz´ Berliner Salon  mit  in- und ausländischen Stars. 4. Das Leben ist keine Generalprobe: Einblicke ins Privatleben, etwa mit seinem Lebensgefährten Carsten  und Haushälterinnen. Eingestreut ins Buch sind "Liebesbriefe" von guten Freundinnen wie Barbara  Becker  und Sabine Christiansen, die das Bild abrunden.

Ich habe das Buch mit Vergnügen gelesen. Was vermutlich auch am journalistischen Knowhow von Werner Irro liegt, der das Ganze aufgezeichnet hat. Aber vor allem an dem interessanten Lebensweg von Udo Walz, der hier geschickt aufgezeigt wird: Nicht zu intim - das Image wird gewahrt - , aber doch ehrlich genug, um nicht nur Hochglanz zu sein.

Ein schönes Buch für alle, die Biografien mögen und sich gerne mal beim Blick in eine andere Welt entspannen möchten. Und für alle, die "Gala" und "Bunte" natürlich nur im Wartezimmer konsumieren.  

Dienstag, 7. Oktober 2014

Wie wir wurden, was wir sind

Hans-Otto Thomashoff: Ich suchte das Glück und fand die Zufriedenheit. Eine spannende Reise in die Welt von Gehirn und Psyche. 288 Seiten, Ariston Verlag 2014, 19,99 €

Vor kurzem habe ich an der Uni Hamburg für das Institut für Weiterbildung an der Wirtschaftsfakultät eine Vorlesungsreihe "Ihr Trumpf im Job: Persönlichkeit" gehalten. Das war eine herausfordernde Variante zu  meinen üblichen Vorträgen, verlangte sie doch für das Publikum wesentlich mehr wissenschaftliche Information. Dabei wurde mir wieder einmal bewusst, dass es eine Kunst ist, komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge verständlich und interessant zu vermitteln.
Hans-Otto Thomashoff beherrscht diese Kunst perfekt. Hilfreich ist dazu sicher seine vielfältige  Ausbildung: Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeut, promovierter Kunsthistoriker.  Von seiner gründlichen Beschreibung, wie sich  vom Mutterleib bis ins Erwachsenenalter die Psyche im Gehirn ausbildet, bin ich begeistert.
"Immer baut sich das Gehirn - ausgehend von seiner genetischen Ausgangsbasis - in konstantem Wechselspiel mit der Umwelt auf und schafft so die Psyche." Diese grundlegende Tatsache erklärt der Autor so einleuchtend, dass ihm jeder interessierte Laie gut und gerne folgen kann.
Daraus leitet Thomashoff dann die Möglichkeiten ab, Glück und Zufriedenheit zu gewinnen. Sie lassen sich auf zwei Bereiche reduzieren: Befriedigende (Liebes-)Beziehungen und die Gelegenheit, Einfluss auf das eigene Leben zu nehmen. Dieses Fazit wird ausführlich beschrieben, allerdings fehlt die praktische Anleitung.Wie finde ich denn die Liebe? Wie bekomme ich genügend Selbstvertrauen, um mein  Leben zu gestalten?
In meinen Augen ist deshalb der Untertitel des Buches der wahre Titel: "Eine spannende Reise in die Welt von Gehirn und Psyche.", bezogen auf Glück und Zufriedenheit. Darin liegt die große Stärke des Buches. Hier erhält man jede Menge Selbsterkenntnis einfach über die Wissensvermittlung. Und dann sind da noch die verbalen  Perlen, Sätze, mit denen Tatsachen auf den Punkt gebracht werden. Wie etwa dieser.: "Das Gefühl, dass unsere Arbeit sinnvoll ist, entsteht vor allem aus unserem Beziehungsumfeld und gar nicht so sehr aus dem Inhalt unserer Tätigkeit."   
Ich kann dieses Buch als spannende Reise in die eigene Psyche wärmstens empfehlen.

P.S. Für eine konkrete Anleitung in puncto Beziehung und Einfluss kann man sich ja dann zusätzlich praktische Ratgeber anschaffen. Zum, Beispiel meine Bücher: "Passt genau. Endlich den richtigen Partner finden." und "Selbstvertrauen stärken und ausstrahlen".
 

Freitag, 26. September 2014

ERFOLG GEHT HEUTE ANDERS

Arianna Huffington: Die Neuerfindung des Erfolgs. Riemann Verlag, 320 Seiten, 19,99 €

"Liebe Frau Huffington, Sie haben es geschafft: Ich werde anfangen, zu meditieren."
Ich wette, das werden Sie nach der Lektüre dieses Buches genau wie ich sagen. Die Autorin vermittelt nämlich ihre Mission, dem Streben nach Erfolg eine entspannte Basis zu geben, äußerst überzeugend. 
Geld und Macht, so ihr Credo, sind wie ein Hocker mit zwei Beinen. Man kann ein Zeitlang darauf balancieren, doch irgenwann verliert man das Gleichgewicht. Stress und Burn-out sind die Folgen. Es ist deshalb dringend notwendig, Wohlbefinden als dritte Größe einzuführen. Dazu gibt Arianna Huffington praktische Ansätze: Ausreichend Schlaf, Meditation, Achtsamkeit und Großzügigkeit sowie Freundlichkeit gegenüber anderen.
Das ist nicht unbedingt neu, das haben wir auch schon anderswo gelesen - aber sicher kaum mit dieser Autorität. und Überzeugungskraft. Arianna Huffington ist als Gründerin der bekannten Huffington Post ein optimales Testimonial dafür,  dass ein Erfolg, der nur auf Geld und Einfluss abzielt, nicht ausreicht. Sie hat selbst durch Stress einen physischen und geistigen Zusammenbruch erlebt. Ihre Erfahrung und die Konsequenzen daraus gehen in ihr Buch ein. Besonders überzeugend wirken zudem die vielen Argumente, die sie für eine veränderte Sicht auf Erfolg zusammengestellt hat. Gewiss profitiert sie davon, dass sie durch die HuffPost an der Quelle von seriösen Informationen sitzt, die sie für das Thema nutzbar macht. Jednefalls zitiert sie eine solche Fülle von wissenschaftlichen Studien, Ergebnissen von Unternehmen und  Aussagen von Spitzenmanagern, wie ich sie bisher in keinem Ratgeber dieser Art gefunden habe. Schön ergänzt wird das durch in den Text gestreute Kästen mit Zitaten von Philosophen oder Schriftstellern. Mein Fazit: Die Frau weiß, wovon sie spricht. Und ihren Belegen für die Wichtigkeit von persönlichem Innehalten kann man sich einfach nicht verschließen.
Ein insprierendes Buch für alle, die bislang glauben, dass der Preis für beruflichen Erfolg ein kompletter Einsatz von Zeit und Kraft ist und die dabei in Gefahr sind, sich selbst aus den Augen zu verlieren.

Dienstag, 9. September 2014

DIE GIERIGEN

Karine Tuil: Die Gierigen. (Roman) Aufbau Verlag, 477 Seiten, 19,95 €

Eigentlich hatte ich vor, nur Sachbücher zu rezensieren. Aber nun erweitere ich das Repertoire gerne um den einen oder anderen Roman - wenn er so spannend und psychologisch interessant ist wie dieser.

Die französische Autorin Karin Tuil hat drei Lebensgeschichten miteinander verwoben, die von Samir, Samuel und Nina.:
Nina und Samuel sind ein Paar, bis Nina mit dem gemeinsamen Freund Samir eine leidenschaftliche Affäre beginnt. Samuel gewinnt Nina zurück, Samir geht nach New York und man verliert sich aus den Augen. Soweit die Vorgeschichte.  Zwanzig Jahre später sehen Nina und Samuel ihren alten Freund zufällig im Fernsehen. Er ist inzwischen ein berühmter Anwalt  und mit der Tochter eines der reichsten Männer der USA verheiratet. Allerdings hat er seine Karriere auf einer Lüge aufgebaut : Er verleugnet seine arabische Abstammung und gibt sich als Jude aus.
Samuel und Nina, die mehr recht als schlecht in Frankreich leben - Samuel ist Sozialarbeiter und träumt davon Schriftsteller zu werden, Nina schlägt sich als zweitklassiges Model durch  - nehmen Kontakt zu ihm auf. Dabei flammt die alte Leidenschaft zwischen Nina und Samir wieder auf. Nina verlässt Samuel und geht als Samirs Geliebte nach New York.
Ein Gewinner, ein Verlierer, eine schöne Frau zwischen zwei Männern - das könnte eine triviale Geschichte sei. Ist es aber keineswegs, denn im weiteren Verlauf kehren sich  die Verhältnisse unvermittelt und schicksalhaft um. Wie - das möchte ich hier nicht verraten, um potenziellen Lesern nicht die Spannung zu nehmen. Vor allem aber gelingt es der Autorin, die Beweggründe ihrer drei Protagonisten und die gesellschaftlichen Hintergründe präzise zu beschreiben. Am Ende geht es um die innere und äußere Freiheit, im wahrsten Sinne des Wortes um jeden Preis.
Paris Match schreib dazu: "Mit Leidenschaft verschlingt man diesen Roman, der das Scheitern in unserer Gesellschaft in allen Variationen durchspielt." Ich kann dem nur zustimmen.

Samstag, 23. August 2014

Begegnung mit einer weisen Frau

Barbara Sher: Für deine Träume ist es nie zu spät. Durchstarten in der zweiten Lebenshälfte. DTV premium. 354 Seiten . 16,90 € 

Nehmen wir mal dieses Szenario an: Sie sind älter als 40 Jahre. Bisher haben Sie alles dafür getan, erfolgreich und glücklich zu sein. Im großen und ganzen hat das auch geklappt: Guter Job, Familie, Partnerschaft - alles im grünen Bereich. Trotzdem fragen Sie sich, ob das wirklich alles gewesen ist. Und Sie sind unzufrieden, weil Sie obwohl Sie sich angestrengt haben, doch nicht so weit gekommen sind, wie Sie es seinerzeit erhofften. Kurz, Sie befinden sich offenbar in der berühmten Midlife Crisis. In diesem Zustand treffen Sie auf eine weise Frau, die Ihnen genau erklärt, was mit Ihnen los ist. Gleichzeitig raubt sie Ihnen liebgewordene Illusionen, etwa die, dass eine Weltreise, Ruhm und viel Geld Ihren Status quo ändern würdne, oder dass Sie mit den richtigen Aktivitäten Ihre Jugend behalten könnten. Sie legt den Finger auf  die Wunde, dass  Ihre Träume längst der Realität zum Opfer gefallen sind. So ehrlich, deutlich und klar  haben Sie das bisher noch nicht gehört. Ihnen fällt es wie Schuppen von den Augen: Die weise Frau hat recht. Aber bevor Sie nun deprimiert sind und resignieren, kommt die gute Nachricht: Sie sind jetzt reif genug, um die Dinge zu durchschauen und Ihr Leben zu ändern. "Für deine Träume ist es nie zu spät" versichert die weise Frau. Und das ist nicht nur ein oberflächlicher Spruch, denn sie sagt Ihnen auch genau, wie Sie Ihr Leben ändern können. Sie nennt das "Ihr zweites Leben". Es führt sie zurück zu Ihrem ursprünglichen Selbst, zu dem, was Ihnen wirklich Freude machen und Sie erfüllen wird.
Eine schöne Fantasie? Nein, ein wunderbares Buch. Die weise Frau ist die Autorin Barbara Sher.
Nach meinen Berechnungen müsste sie 60 + sein, also  in einem Alter, in dem man das Leben kennt und das Recht hat, etwas darüber zu sagen. Während ich die immerhin 354 Seiten las, hatte ich das Gefühl, von einer weisen Frau sehr liebevoll beraten zu werden. Analysen, Übungen und Fallbeispiele geben dazu eine konkrete Strategie, wie man seinen oft verschütteten Träumen auf die Spur kommt und die Chance auf einen großartigen Neubeginn nutzen kann. Nicht unbedngt, indem man aus seinem Alltag aussteigt (obwohl auch das möglich ist), sondern indem man endlich innere Freiheit gewinnt.
Für alle heimlich Unzufriedenen, von ihrem bisherigen Leben zumindest leicht Enttäuschten, Rebellischen und Verträumten. Oder: für alle über 40. 



Mittwoch, 6. August 2014

Herz aufräumen!

Safi Nidiaye: Das befreite Herz. Von der Wohltat des emotionalen Aufräumens. Allegria. 
253 Seiten. 8,99 €
Hatten Sie schon mal den Eindruck, Ihr Gefühl - z.B. Neid. Wut, Ärger, Traurigkeit - sei eigentlich gar nicht Ihres? Weil es weder zu Ihrer gegenwärtigen Lebenssituation noch zu Ihrer Persönlichkeit passte? Tatsächlich ist es möglich, dass Sie dieses Gefühl von einem anderen Menschen übernommen haben. Als ehemalige Psychotherapeutin kenne ich das professionell als Gegenübertragung. Aber auch privat habe ich es erlebt, etwa als eine mir völlig unverständliche Niedergeschlagenheit. Die endete in dem Moment, in dem mir klar wurde, bei wem ich mich da "angesteckt" hatte.
Safi Nidiaye hat nun ein großartiges und wirkungsvolles Buch zu diesem Phänomen veröffentlicht. Ihr Ansatz, den sie als Expertin für Gefühle auch schon in anderen Büchern beschrieben hat, lautet in Kürze so:
  • Wir  identifizieren das Gefühl, indem wir es benennen und in unserem Körper erspüren.
  • Wir überlegen, was dieses Gefühl verlangt, etwa Mitgefühl, Anerkennung oder die Erlaubnis, sein zu dürfen. Die Autorin nennt das "den Herzensschlüssel finden."
  • Wenn nichts davon passt und uns nicht befriedigt, könnte es sich um ein übernommenes Gefühl handeln. Das kann eine aktuelle Emotion sein, aber durchaus auch eine sehr alte , die wir schon als Kind von einem Eltenrteil übernommen haben.
  • Wir fragen uns von wem das Gefühl wohl kommt und geben es an den Verursacher zurück.
Safi Nidiaye beschreibt den Vorgang ausführlich und mit Beispielen. So ist es möglich, sich selbst in Eigenregie von fremden Einflüssen zu befreien.
Das klingt esoterisch oder gar magisch?  Als Psychologin kann ich Ihnen versichern: Die Anleitung ist keineswegs abgehoben, sondern klar, konkret und praktisch. Wenn Sie bereit sind, sich auf Ihre Gefühle - auch die schmerzhaften und fürs Ego wenig schmeichelhaften - einzulassen, können Sie sich damit von unnötigem Gefühlsballast befreien und mehr Sie selbst sein. 

Dienstag, 5. August 2014

Keine Panik!

Thomas Hohensee: Wie ich meine Angst verlor und wie Ihnen das auch gelingen kann. 
Deutscher Taschenbuch Verlag. 155 Seiten. 14,90 €

Etwas vergrätzt war ich zwischendrin schon: Thomas Hohensee hält Psychotherapie im Prinzip für unwirksam und ihre VertreterInnen für überwiegend unfähig oder unsensibel. Das geht mir weniger gegen meine Berufsehre - immerhin habe ich seinerzeit 20 Jahre als Psychotherapeutin gearbeitet und laut Rückmeldung meiner KlientInnen erfolgreich -, vielmehr bin ich besorgt, dass auf diese Weise bedürftige Menschen abgeschreckt werden, sich professionelle Hilfe zu holen. Stattdessen fallen sie dann dubiosen Coaches in die Hände, die ihr psychologisches Wissen im Crashkurs erworben haben. (Ja, ich weiß, es gibt auch gute Coaches, lieber Herr Hohensee!). Doch ich gebe zu, teilweise hat der Autor mit seiner Kritik durchaus recht. Schließlich verweise ich selbst aus gutem Grund nur an wenige  handverlesene KollegInnen meines Vertrauens, und darunter sind  keine Psychoanalytiker.
Außerdem, Hohensees Buch ist ein Erfahrungsbericht, wie er seine Ängste überwunden hat, und als solcher darf er gerne subjektiv sein. Gerade seine persönliche Geschichte, die er ehrlich und uneitel beschreibt, kann Menschen mit Panikattacken Mut machen, sich in Eigenitiative zu befreien. Die von ihm ausprobierten und erläuterten Methoden zur Bewältigung sind dafür ausgezeichnet, vor allem die Rational-emotive Therapie nach Albert Ellis und die von Gary Emery entwickelte ACT-Methode. Sie basieren auf der schon in der Antike bekannten Erkenntnis, dass unsere Gefühle und unser Handeln durch unsere Gedanken bestimmt werden. Mit diesem Ansatz kann  jeder an sich arbeiten. Wobei der Autor betont, dass es sich tatsächlich um Arbeit handelt. Das  eigene Denken zu verändern, ist ein lebenslanger Prozess, der Aufmerksamkeit und Disziplin verlangt.  Dafür wachsen Selbstvertrauen und Gelassenheit. 
Ein inspirierender Wegweiser für Ängstliche, für Therapiefrustrierte und für alle, die in ihrem Leben eigenständig etwas verändern möchten.

Mittwoch, 18. Juni 2014

Was Macht mit uns macht

Ian Robertson: Macht. Wie Erfolge uns verändern. DTV. Müchen 2014. 315 Seiten. 12,80 €

Warum beschäftigte sich der Chef der Royal Bank of Scottland eher mit der Auswahl der Kekse, die beim Meeting serviert werden als mit der Rettung seiner Firma vor dem Finanzkollaps?
Das ist für mich zwar nicht die brennendste Frage, wohl aber ist es ein Symptom für das, was ich schon immer kopfschüttelnd beobachtet habe: Sobald Menschen Macht erlangt haben, dauert es nicht lange, bis sie sich verändern. Diejenigen etwa, die ursprünglich die Welt verbessern wollten, verwandeln sich in Egoisten. Die einst für ihre Sache brannten, gieren nur noch nach Ruhm.
Seriöse Banker werden zu Zockern. Von brutalen Diktatoren ganz zu schweigen, die ihr Volk dem Machttrieb opfern.
Ian Robertson hat für diese Mutationen eine Erklärung aus seinem Spezialgebiet Neuropsychologie:
Bei Gewinnern verändern Hormone die Gehirnstruktur. Eine vermehrte Testosteron- und Dopaminauschüttung führt dazu, dass sie sich riskant verhalten und ihre Empathie verlieren. Sie glauben, sie seien über andere erhaben. Schlimmstenfalls betrachten sie sie als Objekte, mit denen man beliebig verfahren darf.Diese Veränderungen erlebt man nicht nur bei Politikern, Künstlern oder Stars, sondern auch in kleinem Rahmen bei Chefs, Teamleitern oder Gruppenführern. Frauen sind nicht davor gefeit, aber meist weniger radikal.    

Ist Macht also prinzipiell gefährlich und sollte unbedingt eingeschränkt werden? Keineswegs.Der Autor unterscheidet zwei Arten von Macht nach ihren Motiven: Die persönliche Macht (p-Macht), bei der man nur am eigenen Vorteil interessiert ist und die soziale Macht (s-Macht), mit der man  Gutes für andere bewirken möchte. Die p-Macht  muss nach Robertson strikt kontrolliert werden: "Unbeschränkte Macht wird, gleichgültig auf welcher Ebene, die Gehirnfunktion des Betreffenden unweigerlich schädigen und ihn zu Korruption und Machtmissbrauch treiben."  Die s-Macht dagegen beflügelt und hilft, anderen notwendige Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Ian Robertsons hat mir mal wieder gezeigt, dass ich zu Recht von der Psychologie begeistert bin: Sie gibt  auf wichtige Fragen eine Antwort . In Verbindung mit der Gehirnforschung ist die besonders überzeugend, weil objektiv nachweisbar. Und wenn sich das auch noch dank vieler Beispiele und interessanter Untersuchungen so spannend liest,  ist es noch ein Pluspunkt mehr für dieses Buch. Für alle, die das Thema interessiert: Unbedingt lesen.



Samstag, 14. Juni 2014

Ich bin dann mental mal weg!

Élisa Brune: Seitensprünge aus dem Alltag. Beltz Verlag, Weinheim/Basel 2014, 155 Seiten. 16,95 €

Der Verlag kündigt das Buch im Klappentext als "50 ziemlich beste Fluchten" an. Ich erwartete deshalb eine Menge guter Tipps, wie man kleine Pausen von der Arbeits- und Alltagsroutine machen kann. Etwa ins Museum gehen oder ähnliches. Da wurde ich jedoch angenehm enttäuscht. So konkret geht es in dem Büchlein nicht zu. Dafür enthält es fünfzig inspiriernende kleine Lebensphilosophien.

Die Autorin ist Wissenschaftsjournalistin, was aber eher für ihre Neugier spricht als für eine strenge Herangehensweise ans Thema. Im Gegenteil, sie hängt ihre Überlegungen jeweils an kleinen Episoden aus ihrem Alltag auf, nach dem Motto: "An einem schönen Sonntagsmorgen besuche ich einen alten Freund. Er empfängt mich mit dütserer Miene". Und daraus zieht sie dann auf maximal zwei Seiten ein  kluges Fazit. Das liest sich wie ein persönlicher Blog, subjektiv und beiläufig charmant.

So unterschiedlich die Anlässe und die jeweiligen Auswertungen auch sind, eines haben sie alle gemeinsam: Sie regen dazu an, in Gedanken und Verhalten über die eigene  Komfortzone hinauszugehen. Mal etwas zu wagen. Sich nicht als festgelegte Persönlichkeit zu sehen. Mehr Lebensfreude zu beanspruchen. Wie das dann konkret aussehen soll, muss sich schon jede(r) selbst überlegen. Èlisa Brunes Verdienst ist es, uns Lust darauf zu machen.    

Mittwoch, 4. Juni 2014

INSPIRATION STATT SCHLAFTABLETTE

Gerriet Danz: Neu präsentieren. Begeistern und überzeugen mit den Erfolgsmethoden der Werbung. Campus Verlag, 254 Seiten.  19,99 €

Im Vorlauf zu meinen Vorträgen werde ich von den Veranstaltern nach meinen Wünschen für die Technik gefragt. Meist sind sie erstaunt, dass ich allenfalls um ein Mikrofon bitte. Wie, keinen Beamer, keine Folien? Nein danke. ich vertraue dem gesprochenen Wort. Und so lange ich Rückmeldungen bekomme wie "Ich hätte Ihnen noch stundenlang zuhören können", bleibt das auch so.
Für diese Einstellung habe ich jetzt einen Bruder im Geiste gefunden. Als ehemaliger Kreativdirektor der internationalen Werbeagentur BBDO und anerkannter Kommunikationsexperte weiß  Gerriet Danz, wie man Inhalte und Botschaften so präsentiert, dass das Publikum wirklich erreicht wird.
 "Um überhaupt wahrgenommen zu werden, muss man sich heute schon ein wenig mehr ausdenken, als ein paar Folien aneinander zu schweißen."

Genau dazu gibt er in seinem Buch die besten Tipps für Präsentationen und Vorträge.
- Im ersten Kapitel geht es um die Vorbereitung, geschickt wie für eine Werbung.
- Das zweite Kapitel widmet sich der Frage, wie das gesammelte Material so vermittelt werden kann, dass sich das Publikum angesprochen und inspiriert fühlt.
- Im dritten Kapitel gibt es Werkzeuge zum kreativen Präsentieren - Techniken, die sich erfolgreich aus Werbung und Marketing übertragen lassen.
- Im vierten Kapitel serviert Danz 30 ungewöhnliche Ideen, mit denen sich gängie Präsentationsthemen anschaulich machen lassen.
- Zum Schluss werden FAQs zum Thema beantwortet.
Das Ganze ist knapp und präzise formuliert, mit zahlreichen Beispielen angereichert und überzeugend. Ein Kompliment verdient auch das Layout. Es trägt zur Übersichtlichkeit und zur Lesefreude bei.
Ein nützliches Buch für alle, die von Berufs wegen häufig vorne stehen und etwas sagen sollen oder wollen. Auch Profis haben viel davon - und sei es nur, dass sie sich bestätigt und aufgefrischt fühlen. Es ist aber auch eine Inspiration für diejenigen,die das nicht so oft eine Rede halten, es aber eben doch gelegentlich müssen. 
   
  

Montag, 19. Mai 2014

Der Schrei der Tomate



Clemens G. Arvay: Hilfe, unser Essen wird normiert. Wie uns EU-Bürokraten und Industrie vorschreiben, was wir anbauen und essen sollen. Redline Verlag, 240 Seiten, 19,99 €
Tierquälerei wird bestraft. Und was ist mit den Pflanzen? Der Agrarbiologe Clemens G. Arvay lässt uns in seinem Buch hinter die Kulissen der Saatgut-Industrie schauen. Das Ergebnis ist erschreckend: 
Moderne Pflanzenzucht ist reine Biotechnologie und findet unter Laborbedingungen statt. Nicht selten werden Gifte und radioaktive Strahlen eingesetzt, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Durch Kreuzung entstehen Hybridpflanzen, die zwar eine Saison lang übermäßig Früchte tragen, danach aber unfruchtbar sind. Gemüse wird in praktischer Form gezüchtet, damit es sich platzsparend  stapeln lässt.
Wie sich solches Pflanzendesign auswirkt, lässt sich etwa am Beispiel der Tomate feststellen: Optimale Wassereinlage, damit sich das Gewicht erhöht. Besonders langlebig im Regal. Haut und Fruchtfleisch so dick und widerstandsfähig, dass das Gemüse auch lange Transportwege überlebt.
Arways Buch ist gründlich, informativ und für Laien gut verständlich. Allerdings setzt es ein echtes Interesse am Thema voraus, weil der Autor auf Stories á la „Bauer Piepenbrink gegen die Saatgut-Mafia“ verzichtet und stattdessen Fakten aufführt und Zusammenhänge erklärt. Doch gerade diese Sachlichkeit überzeugt und ist spannend genug. 
P.S.
Nach der Lektüre habe ich das Experiment gemacht: Ich habe eine Tomate aus dem Supermarkt mit Schwung auf einen Steinboden fallen lassen. Tatsächlich, sie sprang wie ein Gummiball und hatte nur einen kleinen kaum sichtbaren Riss in der Haut. Was für ein schönes Design!

Mittwoch, 7. Mai 2014

Neues Weltbild

Axel Burkart: Mit einem Satz das Leben ändern.  Irisiana Verlag, München 2014, 249 Seiten. 16,99 €

Esoteriker müssen jetzt ganz tapfer sein: Dieses Buch ist nichts für sie. Zugegeben, der Titel lässt vermuten, dass es um die berühmten Affirmationen geht. Aber nichts ist mit "Stellen Sie sich jeden Morgen vor den Badezimmerspiegel und sagen Sie:`Ich bin schön, glücklich und erfolgreich.`"
Stattdessen erwartet einen ein anstrengendes und knochentrockenes Werk zum Thema "Glaubenssätze".
Anstrengend, weil man wahre Selbsterkenntnis nicht geschenkt bekommt.
Knochentrocken, weil der Autor - von Hause aus Mathematiker - auf Ankedoten und kleine Geschichten verzichtet, die Ratgeber nomalerweise so gut konsumierbar machen.

Und doch ist es eines der besten und aufregendsten Bücher, das ich in der letzten Zeit gelesen habe.

Basis ist die Tatsache, dass unsere Glaubenssätze unser Weltbild bestimmen, sei es positiv oder  negativ. Wie aus einem Samenkorn erwachsen daraus Gedanken, Gefühle und Handlungen. Schließlich liegt auf der Hand, dass die Einstellung "Ich bin nicht liebenswert" andere Folgen hat als "Ich bin liebenswert."
  
Axel Burkart vermittelt  auf wissenschaftlicher Basis ein präzises Programm mit Übungen, um Schritt für Schritt den eigenen Glaubenssätzen auf die Spur zu kommen und diejenigen abzulegen, die ebenso unwahr wie schädlich sind.

Dieses Buch  liest man nicht in einem Zug, obwohl es klar und verständlich geschrieben ist. Die Wirkung entfaltet sich, wenn man sich darauf einlässt. Und der Titel verspricht nicht zu viel: Einen einzigen grundlegenden negativen Glaubenssatz aufzugeben, kann  das Leben auf der Stelle verändern. 

  

Freitag, 18. April 2014

Gehirnwäsche

Niels Birbaumer: Dein Gehirn weiß mehr als du denkst. Neueste Erkenntnisse aus der Hirnforschung. 269 Seiten.  19,99 €. Ullstein, Berlin 2014

Mögen Sie Krimis? Auch solche, bei denen es einen manchmal gruselt, weil detailliert Dinge beschrieben werden, die nicht gerade angenehm sind? Dann dürften Sie mit diesem Buch von Niels Birbaumer, Professor für Neurobiologie an der Uni Tübingen, gut zurecht kommen.

Es ist nämlich spannend zu lesen, dass wir wandlungsfähiger sind als wir denken. Nur wenige Anlagen sind in unserem Gehirn tatsächlich genetisch festgelegt. Was wir als unsere Persönlichkeit ansehen, ist eher eine von unserer Umwelt und unserem Verhalten geformte Routine. Unser Gehirn tut einfach immer nur das, was ihm in der Situation, in der es sich gerade befindet, den besten Effekt vermittelt.Bei den angeblich unveränderlichen Eigenschaften einer Persönlichkeit handelt es sich also meist um Merkmale, auf die keine Änderungsreize einwirken, so dass man sie deshalb leicht für konsistent halten kann. Wenn sich jedoch eine Situation ergibt, in der das Gehirn mit den  entsprechenden Eigenschaften nicht mehr weiterkommt,es also keinen positiven Effekt mehr erzielen kann, entfaltet es wieder seine volle Flexibilität und die Persönlichkeit ändert sich. Das bedeutet, dass wir nicht bleiben müssen, wie wir sind, sondern es selbst in der Hand haben, uns durch unser Denken und Handeln zu ändern. Wir müssen nicht depressiv, antriebsschwach, schüchtern, ängstlich, leichtsinnig, vorsichtig oder brav sein. Wir können auch ganz anders - wenn wir wirklich wollen!

Die ,manchmal gruseligen Aspekte des Buches entstehen durch Birbaumers Übertragung der  Forschungsergebnisse auf Krankheiten und Neurosen. Da wird uns nichts geschenkt. Ich fand es jedenfalls wenig lustvoll, mich mit dem Locked-in-Syndrom zu beschäftigen und mir dabei vorzustellen, wie es einem Menschen geht, der mit intaktem Gehirn in einem komplett gelähmten Körper ausharren muss. Oder über die grenzwertigen Methoden zu lesen, mit denen Bierbaumer  Angst- und Traumapatienten  heilt.

Trotzdem ist es ein lohnendes und interessantes Buch für alle, die sich  für Hirnforschung und Verhalten interessieren. Zudem ist es gut zu lesen. Der Wissenschaftler hatte beim Schreiben nämlich einen Journalisten zur Seite, der trockene oder schwierige Inhalte locker und verständlich formuliert.

Falls Sie das Buch nicht lesen, weil es das Thema doch recht speziell ist, nehmen Sie aus dieser Rezension wenigstens dies mit: Sie können Ihrem Ideal von sich selbst durchaus näher kommen.
Ich mache jetzt jedenfalls den Selbstversuch.          

Donnerstag, 6. März 2014

Was vom Leben übrig bleibt...

David Menasche: "Davids Liste. Was bleibt, wenn ich gehe." Knaur MensSana. München 2014. 207 Seite. 16,99 €

Themen haben ihre Zeit. Vor kurzem waren noch Bücher über "Glück" im Trend, nun ist der Tod im Fokus der Ratgeber, wie etwa Bronnie Wares "Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen." oder Christiane zu Salm mit "Dieser Mensch war ich".In diese Reihe fügt sich auch das Buch von David  Menasche ein, der persönliche Erfahrungsbericht eines Todkranken.

David Menasche ist ein leidenschaftlicher Lehrer. Mit viel Herzblut und Einfühlungsvermögen unterrichtet er Englisch an einer Senior High School in Miami. Sein Ziel ist es nicht nur, den Kids die Liebe zur Sprache zu vermitteln, sondern auch, ihnen über die Literatur Lebenhilfe zu geben. Bis ihn die fürchterliche Diagnose "Gehirntumor" trifft. Die medizinischen Maßnahmen schwächen ihn so sehr, dass er schließlich nicht mehr unterrichten kann. Er entscheidet sich, die Behandlung abzubrechen. Halb blind und teilweise gelähmt macht er sich allein auf einen Roadtrip durch die USA, wobei er jeweils ehemalige Schülerinnen und Schüler besucht. Für ihn ist das trotz aller Schwieirgkeiten eine Erntezeit, denn er erhält alle Liebe und Fürsorge zurück, die er seinen Schülern in guten Zeiten gegeben hat.

Seine Erfahrungen sind berührend. Obwohl es mich ein wenig irritiert hat, dass sowohl die Beschreibung der Unterrichtserfolge als auch die Rückmeldungen der  Schüler, die am Ende jedes Kapitels stehen, nur positiv sind. Da frage ich mich: Gab es keine Versager, keine Ablehnung, kein Scheitern? Dieser Part scheint mir etwas zu perfekt geraten. Aber diese Kritik ist nur marginal im Vergleich zum Gewinn beim Lesen:
  •  Menasches Leidenschaft für seinen Beruf macht nachdenklich: Tun wir wirklich das, was uns entspricht und was wir lieben? Nur dann wird etwas von uns bleiben, wenn wir nicht mehr sind. Weil es in anderen weiterlebt, denen wir etwas geben konnten. 
  • Auch in der schlimmsten Situation gibt es noch die Wahl zumindest für die innere und oft auch noch für die äußere Freiheit. Das Leben kann auch noch mit größten Einschränkungen lebenswert sein, wenn es uns gelingt, das so zu sehen
Wer kann einen schon überzeugender zum Nachdenken bringen als ein Autor, der lebt, was er vermittelt? Es lohnt sich, das Buch zu lesen.  


    

Montag, 3. März 2014

Das Lob der "Als ob"- Methode

Richard Wiseman: Machen - nicht denken! Die radikal einfach Idee, die Ihr Leben verändert. 
Fischer Taschenbuch. Frankfurt a.M. 2013. 398 Seiten. 9,99 €

Richard Wiseman, Psychologie-Professor an der englischen Universität Hertfordshire, schätze ich schon länger. Seine konkreten Tipps für Glückspilze etwa habe ich gerne in Vorträgen verwandt. Als Autor wertet er wissenschaftliche Untersuchungen praktisch aus, fachlich solide und zur Lesefreude mit Humor aufgelockert.
Nun ist ein neues Buch von ihm erschienen. Der Titel der deutschen Ausgabe lautet provokant "Machen - nicht denken!". Was keineswegs als Aufforderung zu blindem Aktionismus zu verstehen ist.
Vielmehr belegt Wiseman mit bekannten und neuen Untersuchungen, dass die "Als ob" - Methode durchaus Wirkung zeigt. Statt zuerst das Denken zu bemühen, um einen Effekt zu erzielen, wird der Schwerpunkt sofort auf das Verhalten gelegt, frei nach dem Motto des viktorianischen Philosophen William James. Der wies schon seinerzeit auf diese Möglichkeit hin: "Wenn du eine bestimmte Eigenschaft haben willst, handel so, als ob du sie schon hättest."

Dazu ein paar Beispiele aus Wisemans Experimenten-Schau:
  • Wenn Sie Ihre Kreativität hervorlocken wollen, sollten Sie umhergehen, und zwar kurvenreich und unvorhersagbar.
  • Ihr Durchhaltevermögen bei schwierigen Aufgaben steigern Sie, indem Sie Ihre Arme verschränken.
  • Konfrontiert man Sie während Ihrer Diät mit einem Teller Süßspeise, schieben Sie ihn bewusst von sich weg. Auf diese Weise lässt die Versuchung nach. 
  • Falls Sie ein leichtes Schuldgefühl verspüren, waschen Sie Ihre Hände. 

In der Verkürzung klingen diese Beispiele hier vielleicht ein wenig simpel, aber als Fazit aus seriösen Untersuchungen sind sie es keineswegs.

Es lohnt sich, Wisemans Mischung aus Sachbuch und Ratgeber zu lesen. Psychologisch Interessierte  werden ihre Aha-Erlebnisse haben und neue Ansätze zur Veränderung kennenlernen.