Donnerstag, 18. Februar 2016

Tierisch gut

Ruediger Dahlke, Renato Pichler: Veganize your life. 330 Seiten. Riemann Verlag 19,99 €
Nachdem ich Jahrzehnte unüberlegt Spaghetti Bolognese, Weißwürste und Frikadellen gegessen habe, bin ich seit einiger Zeit überzeugte Vegetarierin. Der nächste Schritt, der zugegeben für LiebhaberInnen von Milch- und Eierprodukten recht hart ist, heißt: Vegan leben. Hart ist es offenbar auch im sozialen Kontakt. Während man als Vegetarier noch einigermaßen akzeptiert ist, zieht diese Form der Ernährung eine Menge Aggression von Omnivoren (lat. Allesesser) auf sich, ob am Restauranttisch, in einer TV-Kochshow oder auf der Comedy-Bühne. Dabei ist eine vegane Ernährung nur konsequent: Wer nicht will, dass Tiere leiden, kann auch die fabrikmäßige Produktion von Eiern und Milch nicht unterstützen. Doch das ist nicht das einzige, was für eine vegane Ernährung spricht. Es geht auch um Gesundheit, Ökologie, Welternährung und Ethik. Der Arzt Ruediger Dahlke und sein Co-Autor Renato Pichler, Vorstandsmitglied der Europäischen Vegetarier-Union, haben dazu ein umfangreiches Faktenbuch geschrieben, das alle diese Aspekte erfasst. Dabei gibt es mit zahlreichen Studien und seriösen Quellenangaben jede Menge sachliche Information, die zudem in Listen und Diagrammen übersichtlich aufbereitet ist. Dabei wird mit vielen Halbwahrheiten und bewussten Lügen der Industrie aufgeräumt. Das ganze geschieht auf wohltuend sachliche Weise. Die Fakten sprechen für sich, da bedarf es keines missionarischen Eifers. (Der ist es ja häufig, der Menschen mit anderen Ernährungsgewohnheiten auf die Palme bringt).
Ein überzeugendes Buch, das Veganern gute Argumente an die Hand gibt und interessierten Leserinnen und Lesern beste Aufklärung bietet.

Montag, 15. Februar 2016

Wo die Liebe hinfällt...



Naomi Wood: Als Hemingway mich liebte. 364 Seiten. Hoffmann und Campe. 20.- € 
Ich fühle mich Hemingway verbunden ;) : Während ich in den 80zigern an meiner Doktorarbeit schrieb, hing über meinem Schreibtisch ein Poster des Schriftstellers. Darauf sitzt er halb mit dem Rücken zum Betrachter vor seiner Schreibmaschine und kaut nachdenklich an seinem Daumennagel. Irgendwie ermunterte mich das Bild, mit meiner Arbeit weiterzumachen, auch wenn es schwierig war. Seine Bücher habe ich natürlich auch gelesen.
Und nun ein anderer Aspekt aus Hemingways Leben: Seine vier Ehefrauen. Naomi Wood hat sich nach gründlicher Recherche in sie eingefühlt und vier Porträts mit fiktiven Anteilen daraus gemacht: Hadley Hemingway Mowrer, Pauline Pfeiffer genannt Fife, Martha Gellhorn, Mary Welsh Hemingway. Jede von ihnen hat im Buch ihren eigenen Part. Naomi Wood beschreibt ihre Realität, ihre Gedanken und Gefühle. Und ihre eigene Umgebung: Paris, Key West, Havanna, Ketchum in Idaho. Gemeinsam ist den vier Frauen „ihr“ Hemingway, um den sie nacheinander und manchmal auch nebeneinander mit Liebe, Leidenschaft, Eifersucht und Verrat wie Fixsterne kreisen. Der Meister selbst changiert zwischen Charisma und Trunksucht. Da es hier weniger um ihn als vielmehr um seine Frauen geht, werden vor allem seine Zärtlichkeit, Stimmungsschwankungen, sein Heldenwahn und seine Angst vor dem Alleinsein beschrieben. Das Ganze in einer klaren, kühlen Sprache mit vielen Dialogen.
Ein informatives, interessantes Buch, das ich mit Vergnügen gelesen habe und allen (zukünftigen) Hemingway-Fans nur empfehlen kann.
    

Dienstag, 9. Februar 2016

Krücken als Sprungfedern


Michaela Haas: Stark wie Phönix. Wie wir unsere Resilienzkräfte entwickeln und in Krisen über uns hinauswachsen. O.W.Barth Verlag, 374 Seiten, 22,99 €,
Ich habe es schon immer gewusst: Die besten Ratgeber sind diejenigen, bei denen die Autorinnen und Autoren mit Herzblut schreiben, weil sie das Thema selbst durchlebt haben. Dann verbindet sich großes Interesse mit fundiertem Wissen. So auch hier: Die Journalistin Michaela Haas erkrankte nach einem Asienaufenthalt schwer und leidet bis heute an den Folgen. Nicht umsonst ist also Resilienz ihr Thema, jener innere Schutzschild, der trotz großem Unglück nicht verzweifeln lässt. Neuere Forschung hat ergeben, dass es nicht nur eine „posttraumatische Belastungsstörung“ gibt, sondern auch ein „posttraumatisches Wachstum“, sofern man in der Lage ist, aus der Katastrophe einen Gewinn zu ziehen. Das belegt die Autorin mit zwölf Porträts. Sie interviewte unter anderem den Jazzmusiker Coco Schumann, der Auschwitz überlebte, die farbige Menschenrechtlerin Maya Angelou, den gelähmten ehemaligen Surfprofi Jesse Billauer und Cindi Lamb, deren Tochter ermordet wurde. Die persönlichen Erfahrungen dieser von Schicksalsschlägen betroffenen Menschen ergänzt sie mit aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen. Ihr Fazit: Wir alle besitzen die Fähigkeit zur Resilienz. Die Basis dieser inneren Stärke ist das Vertrauen in die Fähigkeit, das eigene Leben in den Griff zu bekommen. Es stützt sich auf Akzeptanz, Aufgeben der Opferrolle, einen realistischen Optimismus, Verantwortung, aktive Zukunftsplanung, Netzwerke und Freundschaften. Wie sich diese Kräfte aktivieren lassen, vermittelt Michaela Haas zudem mit effektiven Übungen.
Ein beeindruckendes Buch, das Mut macht. Es zeigt durch große Beispiele und mit sorgfältiger Anleitung, dass wir dem Schicksal durchaus Paroli bieten können. 

Montag, 1. Februar 2016

Eiskalte Liebe



Vera Kaesemann, Andreas Heineke: Liebe kälter als der Tod. Einem Narzissten verfallen. 251 Seiten, Goldmann. 8,99 €
Das Autorenduo hatte in die Bar des Hamburger Thaliatheaters zur Buchvorstellung eingeladen. Vor Ort staunte ich: Eine lange Schlange von Wartenden, zum größten Teil junge Frauen. Waren das vielleicht alles Betroffene oder zumindest solche, die glaubten, an einen Narzissten geraten zu sein? Leider konnte ich das nicht mehr herausfinden, denn nach längerem Warten beschloss ich, doch lieber nur das Buch zu lesen:
Die attraktive und erfolgreiche Sarah verliebt sich in Maximilian, einen smarten, weltgewandten, gutaussehenden Mann, der viel Geld mit seiner Firma für Werbemusik verdient. Max umwirbt Sarah mit allem Luxus. Als er sie erobert hat, behandelt er sie mit körperlicher und seelischer Brutalität wie ein Objekt. Das zeigt sich vor allem in der Sexualität. Außerdem belügt er sie und betrügt sie mit anderen Frauen. Trotzdem kann Sarah sich nicht von ihm lösen, sondern passt sich bis zur Selbstaufgabe an, um ihm zu gefallen.
Co-Autor Andreas Heineke gibt diese wahre Geschichte einer Patientin der Heilpraktikerin Vera Kaesemann in Ich-Form wider. Man merkt, dass hier ein Journalist weiß, wie man Spannung aufbaut und Emotionen weckt. Streckenweise liest sich das etwas groschenromanhaft, was auch dem luxuriösen Ambiente geschuldet ist, in dem sich die Protagonisten bewegen. Doch vermutlich werden genau dadurch mehr Leserinnen erreicht. Dem Thema ist es zu wünschen, denn Narzissmus zeigt sich erschreckend häufig zerstörerisch in Liebesbeziehungen - und das keineswegs nur in glamourösem Umfeld. Trotz der leicht konsumierbaren Darbietung kommt die fachliche Seite nicht zu kurz: Am Schluss des Buches ergänzt Vera Kaesemann Sarahs Erfahrungen mit ihrer therapeutischen Sichtweise. Außerdem gibt es eine Liste mit Hinweisen auf eine narzisstische Störung und Co-Abhängigkeit. 
Ein empfehlenswertes Buch für Betroffene und solche, die sich über Narzissmus in einer Paarbeziehung gerne in unterhaltsamer Form informieren möchten.