Donnerstag, 10. Dezember 2015

Altes Land



Dörte Hansen: Altes Land. 285 Seite, 19,99 €, Knaus Verlag
Normaler Weise sind Titel auf der Spiegel-Bestsellerliste eher Mainstream – was ja auch seinen Reiz hat. Ich erwartete deshalb ein unterhaltsames Buch mit Anekdoten aus dem Alten Land. Schließlich kenne ich als Hamburgerin die Lokalität, da mag man das. Aber Überraschung, das Buch ist anders. Dazu passt auch, dass die Autorin vor Freude geweint haben soll, als sie das coole Titelbild sah: Eben nicht Fachwerkhaus und blühender Apfelbaum. Tatsächlich ist die Geschichte eher spröde: Ostpreussische Flüchtlinge treffen auf alteingesessener Bauern. Die Autorin erzählt über drei Frauen-Generationen. Die jüngste Protagonistin ist Anne, die zunächst in Hamburg-Ottensen wohnt und nach dem Scheitern ihrer Ehe zu ihrer Tante Vera ins Alte Land zieht.
Die Schicksale sind hart, also eigentlich schwere Kost. Dass es trotzdem nicht so wirkt, liegt an Dörte Hansens trockenem Witz. Wie sie etwa die Supermütter aus dem Hamburger Stadtteil beschreibt, zauberte mir ein verständnisvolles Grinsen ins Gesicht. Ja, genau, so sind sie (übrigens auch in Hamburg-Eppendorf, da nur optisch eleganter). Das zweite Plus ist Hansens genaue Beobachtungsgabe. Man merkt, dass sie nicht nur recherchiert hat, sondern sich wirklich auskennt. Vor allem aber ist es ihre schnörkellose Sprache, mit der sie sich sehr präzise ausdrückt. Hier merke ich mit Vergnügen die Linguistin, die gewiss ebenso an ihren Sätzen gefeilt hat, wie ich es mir in meinen Sachbüchern abverlange.
Ich habe das Buch an zwei Abenden ausgelesen. Das spricht wohl für sich.

Dienstag, 8. Dezember 2015

Lebensweisheiten



Oprah Winfrey: Was ich vom Leben gelernt habe. 248 Seiten, 14,99 €, S.Fischer Verlag
Die Amerikanerin Oprah Winfrey ist wohl die bekannteste Talkmasterin der Welt. Als Gastgeberin der nach ihr benannten Show hat sie 25 Jahre lang Millionen von Zuschauern inspiriert. Dabei hat man ihr keineswegs an der Wiege gesungen, dass sie einmal diesen phänomenalen Erfolg haben würde. Ihre frühen Jahre waren durch Armut, Missbrauch und Rassismus gekennzeichnet. Vermutlich gerade deshalb gilt sie als Autorität in vielen Lebensfragen. Ihre Ansichten hat sie unter anderem in ihrer eigenen Zeitschrift mit einer monatlichen Kolumne verkündet, mit dem Titel. „What I know for sure“ – „Was ich sicher weiß“. Nun hat Oprah Winfrey ihre Kolumnen der letzten 14 Jahre in einem Buch zusammengefasst. Es sind kleine Texte von einer bis drei Seiten. Geordnet sind sie nach den Kapiteln: Freude. Durchhaltevermögen. Nähe. Dankbarkeit. Chancen. Ehrfurcht. Klarheit. Stärke. Oprah Winfreys Kolumnen lesen sich wie eine Plauderei unter Freundinnen, nach dem Motto „Wie geht es dir?“, „Was hast du denn heute gemacht.“ „Erzähl mal, wie war es früher bei dir?“. Das ist inhaltlich nicht weltbewegend, aber ehrlich und warmherzig. Und es regt zum Nachdenken darüber an, wie man selbst zu den angesprochenen Themen, etwa Geld, Liebe, Macht, Angst, Neinsagen oder Freundschaft, steht.

Freitag, 13. November 2015

Woher, wohin, warum?



Rüdiger Schache: Der geheime Plan Ihres Lebens. Woher, wohin, warum? 265 Seiten. Goldmann. 9,99 €
Das Buch hat eine ähnlich romantische Aufmachung wie seinerzeit der Bestseller „The Secret“. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Rüdiger Schacher befasst sich mit einem esoterischen Thema, ohne abgehoben oder banal zu sein. Er geht davon aus, dass es in Bezug auf unser Leben zwei planende Instanzen gibt: Die eine ist unser Ich, auch als „Persönlichkeit“ bezeichnet. Die andere ist unsere Seele, definiert als derjenige Teil unseres Bewusstseins, der nicht Verstand, Gefühl oder Körper ist. Die Seele möchte in diesem Leben bestimmte Erfahrungen machen. Dazu sendet sie uns Sehnsüchte und Handlungsimpulse. Das Ich hat dazu allerdings das Vetorecht. Sind die Wünsche der beiden „Planer“ deckungsgleich, dann sind wir glücklich. Stehen sie jedoch gegeneinander, wird es problematisch. Mir gefällt besonders, dass es ausdrücklich nicht um die Überwindung des Ichs geht, sondern darum, Erkenntnisse zu gewinnen, um endlich das Richtige zu wählen. Dazu erläutert der Autor, wie sich die Zeichen in unserem Leben deuten lassen, um den tieferen Sinn zu verstehen und die eigene Lebensaufgabe zu finden. Hinweise geben uns beispielsweise die Herkunftsfamilie, angeborene Gegebenheiten und Beziehungen.
Ein großartiges Buch, das wirklich jeder lesen sollte, der irgendwo in seinem Leben feststeckt und sich fragt, warum er nicht weiterkommt. Für mich ist es zudem ein Beweis dafür, dass Esoterik auch  intelligent, differenziert und äußerst hilfreich vermittelt werden kann.

Dienstag, 10. November 2015

Eine tragische Biografie



David Foenkinos: Charlotte. 237 Seiten, DVA, 17,99 €
Vor Jahren habe ich in Frankfurt die Ausstellung „Leben – oder Theater?“ mit Bildern der Malerin Charlotte Salomon gesehen. Sie haben mich fasziniert und berührt, eine eigenwillige Mischung zwischen Malerei und Comic, verbunden mit Texten.
Charlotte Salomon wird 1917 als einziges Kind jüdischer Eltern in Berlin geboren. Sie wächst in einer gutbürgerlichen Familie auf, deren Geschichte jedoch von zahlreichen Suiziden überschattet ist. Auch ihre Mutter nimmt sich das Leben, als Charlotte neun Jahre alt ist. Der Vater, ein angesehener Medizinprofessor, heiratet erneut, eine Opernsängerin. Künstler und Wissenschaftler gehen nun bei den Salomons ein und aus. Doch die Machtergreifung der Nazis beendet das schlagartig. Der Vater verliert die Lehrbefugnis, die Stiefmutter ihre Engagements. Charlotte, die ihre Bestimmung als Malerin entdeckt hat, wird in der Kunstakademie gedemütigt und verlässt sie. Auch ihre Liebe zu einem Gesangslehrer gestaltet sich schwierig. Charlotte flieht nach Frankreich, malt intensiv, findet eine neue Liebe. Durch Denunziation wird sie von den Nazis entdeckt. Sie ist 26 Jahre alt und schwanger, als sie nach Auschwitz deportiert und ermordet wird.     
David Foenkinos hat ihre Biografie geschrieben, auf ungewöhnliche Art: Die Zeilen sind nicht fortlaufend, sondern wie ein Gedicht formatiert. Erstaunlich ist, dass man sich beim Lesen so schnell daran gewöhnt. Die kurzen Sätze lassen Bilder im Kopf entstehen. Irritierend ist allerdings, dass der Autor gelegentlich die Biografie unterbricht, um über seine eigene Wahrnehmung bei der Recherche zu berichten. Doch auch dieser Kunstgriff erweist sich letztlich als gelungen. Er erzeugt das Gefühl, mit den Augen des Autors wie durch ein Fernrohr in die Vergangenheit zu blicken.
Ein besonderes Buch, das auf der Basis intensiver Recherche das kurze Leben der Malerin beleuchtet und vor allem die psychologischen Hintergründe ihrer Kunst deutlich werden lässt.  

Mittwoch, 4. November 2015

ABC für Selbstdenker



Anja Förster & Peter Kreuz: Alphabet des selbstbestimmten Lebens.  Illustriert von Andreas Link. Großes Format, 32 Seiten, Förster und Kreuz Verlag, 15,90 €
Es muss nicht immer das mentale 3-Gänge-Menü sein, manchmal hat man Lust auf ein paar inspirierende Häppchen. Die servieren die Wirtschafts-Querdenker Förster und Kreuz mit Intelligenz und Tiefsinn. Dabei nutzen sie das Alphabet inklusive Umlaute als Struktur. 
Ich habe als erstes meine Initialen aufgeschlagen: E wie Eudamonia (Glückseligkeit, Gedeihen) für meinen Vornamen. Passt, ich habe über Glücklichsein promoviert. Hier bekomme ich den Impuls, das Beste aus dem zu machen, was ich am besten kann. Dann W wie Wach für meinen Nachnahmen. Hier entnehme ich den guten Rat, wachsam zu sein, um nicht einen Pfad zu beschreiten, der nicht mein eigener ist.
Man kann natürlich auch systematisch von A bis Z vorgehen. In jedem Fall macht dieses Bilderbuch für Erwachsene Spaß und schenkt Aha-Erlebnisse: Auf der linken Seite gibt es immer eine Illustration zu dem jeweiligen Buchstaben von Andros Link, rechts dann den Text-Kick von Förster und Kreuz., von A wie Autopilot bis Z wie Zackzackzack. Ein anregendes Bilderbuch für Erwachsene, zum Eigenbedarf und schön zu verschenken.  

Freitag, 30. Oktober 2015

Die Frau und das Wickelkleid



Diane von Fürstenberg: Die Frau, die ich sein wollte. Mein Leben.“ 283 Seiten, Berlin Verlag, 24.-€
Ich liebe Biografien, finde es spannend und anregend, die Lebenslinien anderer Menschen zu verfolgen. Auf diese habe ich mich besonders gefreut, denn erstens bin ich modeaffin – was ich ja schon mit einigen Rezensionen bewiesen habe – und zum anderen ist Diane von Fürstenberg fast mein Jahrgang. Allerdings stellte sich beim Lesen schnell heraus, wie vermessen ein Vergleich wäre. Die Welt der Diane von Fürstenberg ist weit von derjenigen normaler Menschen entfernt. Von Jugend an bewegt sie sich in den Kreisen der Schönen und Reichen. Macht Party in Saint Tropez, fährt Ski in Cortina, hat super Kontakte in der High Society, jongliert geschäftlich mit Millionen. Trotzdem ist es kein oberflächliches Namedropping-Buch. Dazu ist DvF eine zu starke Persönlichkeit, mutig, kreativ und kontaktfreudig. Die Erfinderin des berühmten „Wrap dress“ (Wickelkleid) hat die Höhen einer blühenden Firma erlebt, aber auch einen zweimaligen finanziellen Absturz, intensive Liebe und eine Krebserkrankung. Sie ist immer wieder mit Disziplin und dank ihrer guten Kontakte wie Phönix aus der Asche gestiegen. Diese Stellen sind die stärksten im Buch, denn hier wird ihre besondere Persönlichkeit deutlich, die Leidenschaft für ihre Arbeit und die Bedeutung von Familie in ihrem Leben. Das Übrige liest sich oft sehr glatt, da hätte ich mir mehr Emotionen oder Details gewünscht. Trotzdem, ein faszinierendes Buch über eine starke Frau. Und deshalb kann ein Vergleich doch für jede Leserin ein Gewinn sein: Wie mutig bin ich denn? Wie leidenschaftlich verfolge ich meine Ziele? Wie gehe ich mit Niederlagen um? Wie viel Liebe gibt es in meinem Leben? Dazu ist es inspirierend, ein Vorbild zu haben – auch wenn Welten dazwischen liegen.