Dienstag, 28. März 2017

Nur Mut!



Lou Hamilton: Brave New Girl. Wie wir furchtlos werden. 213 Seiten, 15.-€. Kindler

Unter dem Titel hatte ich einen psychologischen Ratgeber erwartet, nach dem Motto: Hier finden Sie die besten Tipps, wie Sie mit Ihrem cholerischen Chef umgehen oder sich Ihren Traum vom Fallschirmspringen erfüllen. Nun, gute Tipps gibt es tatsächlich, aber ganz anders als erwartet: 

Lou Hamilton vermittelt ihre ermutigenden Ratschläge mit dem Zeichenstift. Ihre Protagonistin ist eine Figur, die sie selbst so beschreibt: „Ein bisschen Frau, ein bisschen Kind, ein bisschen Tier, ein bisschen Ninja.“ Der Name dieses kleinen Strichwesens ist Brave New Girl, kurz BNG.
Jedes Mal, wenn ihre Schöpferin selbst Angst hatte, etwa vor einem Flugzeugabsturz, oder angeregt wurde, zum Beispiel durch die Biografie eines Astronauten, setzte sie das in eine BNG-Episode um. Schließlich fasste sie die Zeichnungen in 10 Kapiteln zusammen, von „Hol dir den Mond vom Himmel“ über „Frechheit ist Freiheit“ bis „Du bist gut genug“.

Die auf den ersten Blick unspektakulären Zeichnungen, jeweils mit einem auffordernden Satz versehen, haben es in sich. Wenn man sich auf sie einlässt, entfalten sie ihren Zauber. Und plötzlich denkt man bei einem Bild mit dem Titel  „Verbringe einen Teil deines Tages mit dem Kopf in den Wolken“ oder „Lass friedliche Orte entstehen“: Ja, genau, das sollte ich mal ausprobieren.
Ein inspirierendes, humorvolles, liebenswertes Büchlein, das auf seine Art bewirkt, was der Titel verspricht.          
   

Mittwoch, 15. März 2017

Leichter leben



Sháá Wasmund: Do less, get more. Warum weniger mehr ist. 240 Seiten. DTV . 16,90 €
Bekenntnis einer Multitasking-Queen: Die Autorin war selbst jahrelang in einer Zwangsjacke der Betriebsamkeit gefangen. Das ist eine gute Voraussetzung, um nach der Befreiung Leidensgenossinnen und –genossen konkrete Ratschläge zu geben, wie man es besser machen kann. 
Am Anfang steht immer die Bestandsaufnahme. Dazu gibt es Checklisten, etwa „Womit verbringen Sie Ihre Zeit?“ oder „Würdigen Sie Ihre Stärken?“ Das verhilft zur Selbsterkenntnis: Was ist mir wichtig? Wo kann ich kürzertreten? Darauf folgen dann Ausdeutungen und Tipps, zum Beispiel wie man filtert oder fokussiert. Wasmut erfindet nicht das Rad neu, die Vorschläge hat man gewiss schon mal anderswo gelesen. Aber hier sind sie in vier Teilen einfach und klar zusammengestellt. Ein großes Plus ist dabei das übersichtliche Layout. 
Auf der Rückseite des Covers heißt es zum Thema persönlicher Zeit- und Glücksgewinn so schön: „Sie müssen Ihr Leben nicht umbauen, es genügt, wenn Sie es bedarfsgerecht renovieren.“ Mit dem praktischen Handwerkszeug in diesem hilfreichen Buch dürfte es gelingen.   

Sonntag, 5. März 2017

Bella Napoli



Elena Ferrante: Meine geniale Freundin. Band 1 der neapolitanischen Saga. 422 Seiten. 22.- €. Suhrkamp
Die Schriftstellerin Elena Greco, 66, erhält einen überraschenden Anruf vom Sohn ihrer besten Freundin Lila. Er teilt ihr mit, dass seine Mutter spurlos verschwunden ist. Elena nimmt das zum Anlass, die Geschichte ihrer Freundschaft aufzuschreiben. Die beginnt Mitte der 1950er Jahre im Rione, einem heruntergekommenen Viertel von Neapel. Armut, strenge Tradition, Gewalt und der Einfluss der Camorra bestimmen den Alltag der Bewohner. Hier begegnen sich die brave, schüchterne Elena und die unangepasste, wilde Lila. Die Mädchen sind bald unzertrennlich. Sie wetteifern darum, wer die Beste in der Schule ist. Was Elena mit Fleiß schafft, gelingt Lila mühelos dank ihrer hohen Intelligenz. Doch während Elena eine weiterführende Schule besuchen darf, muss Lila in der Schusterwerkstatt ihres Vaters mitarbeiten. Die Jugend der beiden ist weiterhin von Zuneigung und Rivalität geprägt. Während Elena den mühsamen Weg der Bildung für sich entdeckt, hat Lila nur die Möglichkeit, sich durch eine Heirat mehr Freiheit zu erkämpfen.
„Meine geniale Freundin“ ist die intensive Geschichte der Kinder- und Jugendfreundschaft zweier Mädchen, die unterschiedlicher kaum sein können. Gleichzeitig ist es eine Zeit- und Milieubeschreibung. Beides verbindet die unter dem Pseudonym „Elena Ferrante“ schreibende Autorin sprachlich eindrucksvoll und bildhaft. Beim Lesen hatte ich Gefühl, „mit dabei“ zu sein. Ein wunderbares Buch, das süchtig macht: Wie geht es mit den beiden weiter? Wir dürfen gespannt sein.