Montag, 26. Februar 2018

Eine Liebe in Bielefeld

Joachim Meyerhoff: Die Zweisamkeit der Einzelgänger. Kiepenheuer & Witsch. 24.-€
In Meyerhoffs autobiografischem Roman geht es vor allem um die Liebe. Während seiner Zeit als junger Schauspieler am Bielefelder Stadttheater verliebt sich der Ich-Erzähler die Germanistik-Studentin Hanna. Sie ist auf ihre spezielle Art für ihn faszinierend: intellektuell, spontan und anstrengend exzentrisch. Nach seinem Umzug nach Dortmund lernt er am dortigen Stadttheater die Tänzerin Franka kennen: groß, attraktiv, sexy. Neben Hanna und Franka kommt schließlich auch noch Ilse ins Spiel: eine ältere Bäckersfrau mit üppigen Formen, die den Jungschauspieler frühmorgens in der Backstube mit Puddingbrezeln verführt. Zwischen diesen drei Frauen mäandert Meyerhoffs Alter Ego Joachim hin und her. Hanna darf nichts von Franka wissen, Franka nichts von Hanna, und Ilse hat ohnehin keine Ahnung von ihren Rivalinnen. Das führt zu komischen Verwicklungen, bei denen der junge Schauspieler Blut und Wasser schwitzt. Eingeflochten in diese Liebesdramen sind Seitenhiebe auf die Schauspielkollegen beider Theater und Rückblenden in die Kindheit. Am Ende scheitern alle drei Liebesbeziehungen.
Meyerhoff ist ein Meister der Sprache. Es gelingt ihm, die Gefühle seines jungen Egos genau und bildhaft auszudrücken. Hinzu kommt oft ein boshafter Witz, der allerdings die betroffenen Personen subtil entwertet. Mit dieser Einschränkung: Ein brillantes Lesevergnügen.   

Freitag, 16. Februar 2018

Absturz auf Französisch

Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex. 399 Seiten. 22.-€ . Kiepenheuer & Witsch
Vernon Subutex ist schon vor Jahren mit einem immerhin legendären Plattenladen in Paris Pleite gegangen. Als nun ein reicher Freund stirbt, der ihn bisher regelmäßig finanziell unterstützt hat, verliert er auch noch seine Wohnung. Mit der Notlüge, er sei nur auf der Durchreise, quartiert er sich der Reihe bei alten Freunden und Bekannten, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat, nach ein. Damit beginnt ein Reigen von ebenso bitterbösen wie genau beobachteten Porträts der jeweiligen GastgeberInnen. Darunter ist ein Rechtsradikaler, eine junge Muslimin, ein narzisstischer Börsenspekulanten, ein brasilianisches transsexuelles Model, eine Pornodarstellerin, ein professioneller Internet-Troll und ein Groupie. Die Geschichten summieren sich zu einer schonungslosen Beschreibung der Generation, die in den 80er Jahren Sex, Drugs and Rock ‘n’ Roll genossen hat,  nun aber feststellen muss, dass das Leben keine andauernde Party ist. Am Ende landet Vernon Subutex doch noch auf der Straße.
Ein Roman über die Pariser Gesellschaft, der seinen diversen Charakteren wenig Hoffnung lässt. Gut geschrieben, interessant, sehr französisch. Ein Buch, das man gelesen haben sollte, auch wenn es nicht sehr fröhlich stimmt.

Samstag, 10. Februar 2018

Und tschüss!

Marie Matisek: Frau gönnt sich ja sonst nichts. Wie sich die Trennung von meinem Mann unverhofft als Glücksfall erwies. Knaur. 12,99 €
Die Frau hat Mut! Marie Matisek, sonst Autorin von Romanen, schreibt ohne Pseudonym offen darüber, wie sie  die Trennung von ihrem Mann Thorsten bewältigt hat. Nach 20 Ehejahren wurde sie für eine Jüngere verlassen. Das wäre Grund genug, in Selbstmitleid zu versinken, doch die kluge Autorin holt sich selbst aus dem Tal der Tränen. Mit Realitätssinn analysiert sie die Gründe, die zur Trennung geführt haben.
Sie  sieht auch ihren Anteil: Lange Zeit hat sie sich neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit voll auf das Familienleben konzentriert, während ihr Mann seine Karriere verfolgte. Dabei ist die Paarbeziehung auf der Strecke geblieben. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Marie Matisek nimmt es als Chance auf ein neues selbst bestimmtes Leben.
Dabei gelingt ihr etwas, was viele Paare in ihrer Situation nicht schaffen:
Kein Aufrechnen von Schuld, kein Hass, kein Rosenkrieg. Stattdessen Respekt und liebevolle Erinnerung an vergangene glückliche Zeiten.
Die Autorin verbindet Wahrhaftigkeit mit wohltuender Diskretion. Zudem weiß sie als Schriftstellerin Erfahrungen und Gefühle so zu beschreiben, dass es gleichzeitig ein Lesegenuss ist.
Marie Matiseks Erfahrung ist auch für (noch) glückliche Paare eine Bereicherung und für alle trennungsgeschädigten Frauen ein Vorbild.

Samstag, 3. Februar 2018

Noch einmal mit Gefühl

Ingo Vogel: Sag es einfach emotional. Gefühl schlägt Verstand – in jeder Kommunikation. 
267 Seiten. Econ. 20.- €
Der Autor ist Kommunikations- und Verkaufstrainer. Dieser Hintergrund prägt das Buch. Es geht darum, andere Menschen mit einer positiven Sprache zu gewinnen. Ein authentisches und begeisterndes Sprechen ist die Grundlage. Dazu vermittelt der Autor psychologischen Hintergrund, wie etwa die „elf emotionalen Meisterwerke“: Dankbarkeit, Optimismus, Gelassenheit, Interesse, Freude, Inspiration, Erstaunen, Begeisterung und Leidenschaft. Er beschreibt, wie man ein gutes Gesprächsklima herstellt, wie man starke Emotionen weckt oder klar Position bezieht. Dabei geht es nicht nur um ein vordergründiges Training, sondern darum, ein positives Selbst-, Welt- und Menschenbild zu entwickeln. Vorschläge für Übungen ergänzen die Kapitel.
Das Buch ist ein gut aufgebauter Ratgeber, informativ und umfassend. Ein wenig schmunzeln musste ich darüber, dass ausgerechnet ein Buch über emotionale Sprache ausgesprochen sachlich verfasst ist. Der Autor bringt weder eigene Erlebnisse noch die anderer Personen als Beispiele ein. Aber wer einfach mehr über eine wirkungsvolle Sprache lernen möchte, wird das nicht vermissen. Das Buch ist so hilfreich wie ein Coaching.