Dienstag, 30. August 2016

Leukämie und Liebe



Catharina Junk: Auf Null. 19,95 €, 400 Seiten, Kindler Verlag
Wenn ein älterer Mensch Krebs hat, ist das furchtbar. Doch besonders schlimm ist es, wenn die Krankheit junge Menschen befällt, die eigentlich noch das Leben vor sich haben. Darüber habe ich schon einiges gelesen, etwa „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ oder „Heute bin ich blond“. Gemeinsam ist diesen Büchern eine Mischung aus Rebellion, Verzweiflung, Galgenhumor und Sehnsucht nach Leben und Liebe. Das findet sich auch im Buch von Catharina Junk.  
Die 20jährige Nina ist nach überstandener Leukämie als gesund aus dem Krankenhaus entlassen worden und wohnt wieder bei ihren Eltern in einem kleinen Ort bei Münster. Dort verliebt sie sich in Erik, weicht ihm aber aus Angst vor der Zukunft immer wieder aus. Außer der Liebesgeschichte geht es auch noch um wahre Freundschaft und die Familie. In Rückblenden beschreibt die Autorin die Erlebnisse im Krankenhaus. So hat man gleichzeitig Einblick in die Vergangenheit und die Gegenwart. Das ist gekonnt und hat Spannung, die Personen und ihre Gefühle sind überzeugend. Was mich allerdings etwas gestört hat –  ganz subjektiv, ich bin schließlich Psychologin -, ist die seitenlange karikierende Beschreibung von Menschen, die dem Krebs nicht mit schulmedizinischen Methoden begegnen. Eine Esoterikerin schwafelt über die Macht der Seele, eine fundamentalistische Christengruppe will nur mit Gebeten heilen. Klar, so etwas gibt es, leider. Dass wissenschaftlich belegt ist, welchen Einfluss psychische Befindlichkeit und der Glaube haben können, blendet diese Einseitigkeit komplett aus. Aber nun gut, das ist die Freiheit der Autorin und liest sich durchaus amüsant.
Catharina Junk ist es gelungen, über ein schweres Thema leicht zu schreiben, authentisch, mit viel Humor und ohne falsche Romantik. Lesenswert.    

Donnerstag, 18. August 2016

Ein Schlückchen Prosecco



Hermann Scherer: Fokus! Provokative Ideen für Menschen, die was erreichen wollen. 282 Seiten. 19,95 €. Campus Verlag.
Kann man ein Buch gleichzeitig schlecht und gut finden? Man kann:
Obwohl das Buch den Titel „Fokus“ trägt, schreibt der Autor alles andere als fokussiert. Stattdessen hüpft er munter von Thema zu Thema und schert sich kaum um die Kapitelüberschriften, die er sich doch offenbar selbst gesetzt hat. Seine klischeehaften Gedanken, die er gerne als Aphorismen herausstellt, garniert er mit eher irrelevanten persönlichen Erfahrungen wie das dramatische Ohrlochstechen seiner Tochter oder dass er beim Wickeln seines kleinen Sohnes nicht aufgepasst hat. Hinzu kommt, dass er kräftig die Werbetrommel für sich rührt, etwa mit der Schilderung eines New-York-Besuches seiner Coaching-Gruppe. Kurz und gut: Wer logisch denkt, Ansprüche an einen Ratgeber stellt und konkrete Tipps erwartet, für den ist das krudes Zeug. Da nutzt auch die schöne und edle Aufmachung des Buches nichts.
Warum es das Buch trotzdem auf meinen Rezensionsblog geschafft hat, obwohl ich sonst nur über Bücher schreibe, die mich komplett begeistern? Weil Hermann Scherer authentisch ist und offenbar lebt, was er verkündet. Er ist ein Rebell mit der Botschaft: Lebe ein abenteuerliches Leben. Und diese Botschaft schimmert überzeugend durch sein verbales Hin- und-Her. Wer unterhalten sein will und Aufmunterung wie ein Glas Prosecco liebt, wird an dem Buch seinen Spaß haben.

Montag, 15. August 2016

Keine Entschuldigung



Sarah Knight: Not Sorry. Vergeuden Sie Ihr Leben nicht mit Leuten und Dingen, auf die Sie keine Lust haben. 214 Seiten, 14,99 €. Ullstein
Das ist schon magisch: In meiner vorigen Rezension habe ich das Buch „Magic Cleaning“ von Marie Kondo mit Begeisterung besprochen. Nach der Lektüre dachte ich: Eigentlich könnte man den Kopf doch genauso entrümpeln wie ein Bücherregal oder den Kleiderschrank. Und da fällt mir just das Buch von Sarah Knight in die Hände, die in der Einleitung schreibt, dass sie durch Kondos Aufräumtechnik angeregt worden sei.
Der Kern von Sarah Knights Botschaft lautet: Scheren Sie sich nicht darum, was andere Leute denken. Sagen Sie kategorisch Nein und nur Ja, wenn es Ihnen wirklich wichtig ist. Dabei legt sie Wert darauf, dass man trotz aller Ehrlichkeit höflich bleibt und nicht die Gefühle anderer verletzt. Dieses Verhalten variiert sie für verschiedene Situationen und Dinge, etwa Meetings, Fitnessstudios, Essenseinladungen, Erdnussbutter und die Kinder anderer Leute. Dabei bietet sie ihre persönlichen Erfahrungen als Beispiel an.
Das liest sich flott und ist anregend, so dass man Lust kriegt, öfter Nein zu sagen. Was mich allerdings stört, ist die permanente Fäkalsprache. Alle paar Seiten liest man: „Scheiß drauf“, geht einem etwas „am Arschvorbei“ oder soll man kein „Arschloch sein“. Ich gebe zwar zu, dass es in der deutschen Sprache wohl keinen adäquat kurzen und knackigen Ausdruck für „Scheiß drauf“ gibt, aber am Ende fühlt man sich, als litte man unter Diarrhoe. Außerdem fehlt mir als Psychologin ein Kapitel, wie man mit Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen umgeht, denn ganz so simple ist das Neinsagen nun auch wieder nicht. Wer über diese Kritikpunkte hinwegsieht und einfach nur einen Tritt in den Hintern (!) braucht, um sich auf die eigenen Interessen zu besinnen, ist mit „Not Sorry“ gut bedient.

Dienstag, 2. August 2016

Wirklich magisch!



Marie Kondo: Magic Cleaning: Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert. 9.99 €. Rororo
In puncto Besitz habe ich ein heimliches Vorbild: Meine ehemalige Nachbarin, Single, Managerin in einem Konzern, oft unterwegs. Auf einer Stange hingen wenige ausgesuchte Kleidungsstücke, darunter standen einige schöne Schuhe für alle Witterungen. Ein Koffer, eine Aktenmappe und eine Handtasche. Das war´s. Als sie auszog, war der Umzug blitzschnell erledigt. Bei mir dagegen das häusliche Kontrastprogramm mit vollen Bücheregalen und überquellendem Kleiderschrank. Trotz Ratgebern wie „Simplyfy your life“ oder „Fengshui gegen das Gerümpel des Alltags“ brachten gelegentliche Entsorgungsanfälle wenig.
Bis ich jetzt das Buch der Japanerin Marie Kondo gelesen habe. Sie ist eine leidenschaftliche und erfahrene Aufräumerin. Und sie hat einen besonderen Ansatz, der sich von den üblichen praktischen Anleitungen unterscheidet: Man soll jedes Teil in die Hand nehmen und dann alles entsorgen, was einen nicht glücklich macht. Für mich als Glücksexpertin ist das ein ideales Kriterium. Tatsächlich spürt man schnell, ob einem ein Gegenstand wirklich am Herzen liegt oder ob man ihn bisher aus anderen Gründen behalten hat, etwa weil er teuer war oder weil man denkt, man könnte ihn noch mal irgendwann gebrauchen. Genau davon soll man sich trennen. Am Ende ist man nur noch von Dingen umgeben, die einem wirklich etwas bedeuten. Beispiel: Während ich mich bisher von der Menge meiner Bücher erschlagen fühlte (privat: 10 Regale bis unter die Decke!), stehen dort inzwischen nur noch Werke, die ich entweder liebe oder zur Arbeit brauche. 
Der Effekt ist tatsächlich magisch. Man fühlt sich befreit, klar im Kopf und ungeheuer zufrieden. Marie Kondos Buch ist viel mehr als nur eine Anleitung zum Aufräumen. Es ist eine Anleitung zum Glücklichsein.