Freitag, 29. April 2016

Das rockt!



Katrin Saalfrank: Freedom Run. From Kyuss Lives to Vista Chino. Selbstverlag. Erhältlich unter diesem Link http://www.katrinsaalfrank.com/#!freedom-run/c1rov  48.83 €
Diesmal möchte ich ein ungewöhnliches Buch vorstellen, speziell für LiebhaberInnen von Rock und Fotografie. Aber zunächst ein Geständnis: Musikalisch bin ich bei den Beatles, Stones und Elvis stehengeblieben. Die Band „Kyuss Lives“, die sich später aus rechtlichen Gründen in „Vista Chino“ umbenannte, sagte mir zunächst gar nichts.  Was nichts heißen will, denn  unter Fans der Rockmusik ist sie sehr bekannt. Doch dann kam mir  dieses Buch in die Hände: Die Fotografin Katrin Saalfrank hat die Band  über längere Zeit begleitet und dabei großartige Bilder gemacht. Die Mischung aus Schnappschüssen und Professionalität ist sehr besonders und hohe Kunst. Ein Blick auf Wasserflaschen und leere Bierdosen zählt dabei ebenso wie  ein ernstes Porträt,  Bewegung hinter den Kulissen, ein Bühnenauftritt, tätowierte Hände oder eine leere Wüstenlandschaft. Insgesamt ergibt das eine großartige Lebendigkeit. Selten, dass ein Fotoband in seiner Komposition solche Leidenschaft ausstrahlt. Erschöpfung, Energie, Emotionen, Adrenalin - die Bilder anzuschauen, ist purer Rock´n Roll, sogar für musikalische Schmalspurer wie mich. Die kurzen Texte dazu sind auf Englisch. Ein hochwertig gemachtes Buch, das sich Interessierte unbedingt gönnen sollten.


   

Dienstag, 19. April 2016

Liebe auf englische Art



Jane Gadam: Eine treue Frau. 270 Seiten. Hanser Berlin. 21,90 €
Die Engländerin Jane Gardam ist 87 Jahre alt und laut Spiegel die literarische Entdeckung der Saison. Höhepunkt ihres Werkes ist eine Triologie über den Kronanwalt Edward Feathers, seine Frau Betty und Terry Veneering, ein Kollege Feathers, mit dem Betty heimlich ein Verhältnis hat. Jeder Band rückt eine dieser drei Personen in den Mittelpunkt und ist in sich abgeschlossen. „Eine treue Frau“ ist der zweite Teil. Er beginnt in Honkong, zum Ende des britischen Empires, wo Edward Betty einen Heiratsantrag macht. Sie nimmt an, obwohl sie weiß, dass die Ehe nur auf Verlässlichkeit und Vernunft gegründet sein wird. Kurz darauf begegnet sie Terry und lernt mit ihm für eine Nacht Leidenschaft kennen. Trotzdem hält sie ihr Eheversprechen. Gardam beschreibt diese Ehe, in die immer wieder die Sehnsucht nach der anderen Liebe hineinspielt, bis zum Tode der drei Protagonisten. Dazu benutzt sie eine zurückhaltende Sprache, die für die Beschreibung von Gefühlen  hervorragend geeignet ist und in der auch immer ein trockener Humor aufblitzt.  
Ein feines, weises Buch und ein großes Lesevergnügen. Ich habe mich dabei gefühlt, als ob ich verwunschene englische Gärten besichtige.

Samstag, 16. April 2016

Havanna



Andreas Kaiser: Havana. Hardcover 30 mal 26 cm, ca. 250 Fotos in sw/Farbe. Koehler Verlag. 39,90 €
„Besuchen Sie Europa, so lange es noch steht“, diese Liedzeile einer deutschen Band lässt sich auch auf Havanna anwenden. Die Stadt befindet sich im Wandel. Schon jetzt prägen Baustellen das Panorama der Drei-Millionen-Metropole. Es entstehen Luxushotels, Golfplätze und Yachthäfen. Aber noch gibt es den morbiden Charme. Den arbeitet Andreas Kaiser in seinem Bildband in allen Facetten heraus. Auf mehr als 200 großen Fotos, schwarzweiß und farbig,  zeigt er die kubanische Hauptstadt mit ihrer Architektur: Bauten aus der Kolonialzeit im Verfall, marode Hinterhöfe, Stadien, Plätze der Revolution, Kinos, einen Friedhof. Kaisers Kamera unbestechlich, hier wird nichts geschönt. Doch gerade die düstere Mischung aus Prunk und Vergänglichkeit ist faszinierend.
Mir gefällt die Präzision und Ehrlichkeit. Eben nicht Rumba, Rum und tanzende Einwohner, sondern ein klarer Blick auf Bauwerke, der für sich spricht. Eine interessante Sightseeing-Tour durch eine untergehende Welt, die an Architektur interessierte LeserInnen bequem auf dem Sofa machen können. Die Texte sind übrigens dreisprachig, Deutsch, Englisch und Spanisch.

Freitag, 8. April 2016

Willkommen in Neukölln



Thomas Lindemann: Keine Angst, hier gibt´s auch Deutsche. Unser neues Leben im Problemkiez. 224 Seiten. Berlin Verlag, 14,99 €
Der Ex-Bürgermeister Heinz Buschkowsky schrieb 2012 „Neukölln ist überall“ und machte den Stadtteil Berlins damit als sozialen Brennpunkt bekannt. Das wirkte sogar bis nach Hamburg. Als ich eine Foto-Ausstellung in Neukölln besuchen wollte, googelte ich vorsichtshalber, wie gefährlich das Pflaster denn tatsächlich ist. Nun, man hat mir dort nicht meine Handtasche geklaut. Auch sonst blieb alles friedlich und die Ausstellung war wirklich gut. Geblieben ist mir von meinem Ausflug das Interesse für den Stadtteil. Das nun befriedigt das Buch von Thomas Lindemann. Er ist wegen hoher Mieten vom schicken Prenzlauer Berg mit seiner Familie dorthin gezogen und hat mit seinem Buch einen Erfahrungsbericht vorgelegt. Aufgeschlossen und ehrlich. Ja, da wird zugestochen, geklaut und gemobbt. Aber es ist auch bunt und man hält zusammen. Lindemann beschreibt seine Erfahrung und die seiner schulpflichtigen Kinder. Gleichzeitig sucht er Bars, Clubs und Ateliers auf und entdeckt dabei eine lebendige Szene.
Eine interessante Stadtreportage für alle, die sich für Integration, Gentrifizierung und die Wahrheit über Problembezirke interessieren. Denn wie gesagt, Neukölln ist überall.