Samstag, 14. Juni 2014

Ich bin dann mental mal weg!

Élisa Brune: Seitensprünge aus dem Alltag. Beltz Verlag, Weinheim/Basel 2014, 155 Seiten. 16,95 €

Der Verlag kündigt das Buch im Klappentext als "50 ziemlich beste Fluchten" an. Ich erwartete deshalb eine Menge guter Tipps, wie man kleine Pausen von der Arbeits- und Alltagsroutine machen kann. Etwa ins Museum gehen oder ähnliches. Da wurde ich jedoch angenehm enttäuscht. So konkret geht es in dem Büchlein nicht zu. Dafür enthält es fünfzig inspiriernende kleine Lebensphilosophien.

Die Autorin ist Wissenschaftsjournalistin, was aber eher für ihre Neugier spricht als für eine strenge Herangehensweise ans Thema. Im Gegenteil, sie hängt ihre Überlegungen jeweils an kleinen Episoden aus ihrem Alltag auf, nach dem Motto: "An einem schönen Sonntagsmorgen besuche ich einen alten Freund. Er empfängt mich mit dütserer Miene". Und daraus zieht sie dann auf maximal zwei Seiten ein  kluges Fazit. Das liest sich wie ein persönlicher Blog, subjektiv und beiläufig charmant.

So unterschiedlich die Anlässe und die jeweiligen Auswertungen auch sind, eines haben sie alle gemeinsam: Sie regen dazu an, in Gedanken und Verhalten über die eigene  Komfortzone hinauszugehen. Mal etwas zu wagen. Sich nicht als festgelegte Persönlichkeit zu sehen. Mehr Lebensfreude zu beanspruchen. Wie das dann konkret aussehen soll, muss sich schon jede(r) selbst überlegen. Èlisa Brunes Verdienst ist es, uns Lust darauf zu machen.    

Mittwoch, 4. Juni 2014

INSPIRATION STATT SCHLAFTABLETTE

Gerriet Danz: Neu präsentieren. Begeistern und überzeugen mit den Erfolgsmethoden der Werbung. Campus Verlag, 254 Seiten.  19,99 €

Im Vorlauf zu meinen Vorträgen werde ich von den Veranstaltern nach meinen Wünschen für die Technik gefragt. Meist sind sie erstaunt, dass ich allenfalls um ein Mikrofon bitte. Wie, keinen Beamer, keine Folien? Nein danke. ich vertraue dem gesprochenen Wort. Und so lange ich Rückmeldungen bekomme wie "Ich hätte Ihnen noch stundenlang zuhören können", bleibt das auch so.
Für diese Einstellung habe ich jetzt einen Bruder im Geiste gefunden. Als ehemaliger Kreativdirektor der internationalen Werbeagentur BBDO und anerkannter Kommunikationsexperte weiß  Gerriet Danz, wie man Inhalte und Botschaften so präsentiert, dass das Publikum wirklich erreicht wird.
 "Um überhaupt wahrgenommen zu werden, muss man sich heute schon ein wenig mehr ausdenken, als ein paar Folien aneinander zu schweißen."

Genau dazu gibt er in seinem Buch die besten Tipps für Präsentationen und Vorträge.
- Im ersten Kapitel geht es um die Vorbereitung, geschickt wie für eine Werbung.
- Das zweite Kapitel widmet sich der Frage, wie das gesammelte Material so vermittelt werden kann, dass sich das Publikum angesprochen und inspiriert fühlt.
- Im dritten Kapitel gibt es Werkzeuge zum kreativen Präsentieren - Techniken, die sich erfolgreich aus Werbung und Marketing übertragen lassen.
- Im vierten Kapitel serviert Danz 30 ungewöhnliche Ideen, mit denen sich gängie Präsentationsthemen anschaulich machen lassen.
- Zum Schluss werden FAQs zum Thema beantwortet.
Das Ganze ist knapp und präzise formuliert, mit zahlreichen Beispielen angereichert und überzeugend. Ein Kompliment verdient auch das Layout. Es trägt zur Übersichtlichkeit und zur Lesefreude bei.
Ein nützliches Buch für alle, die von Berufs wegen häufig vorne stehen und etwas sagen sollen oder wollen. Auch Profis haben viel davon - und sei es nur, dass sie sich bestätigt und aufgefrischt fühlen. Es ist aber auch eine Inspiration für diejenigen,die das nicht so oft eine Rede halten, es aber eben doch gelegentlich müssen. 
   
  

Montag, 19. Mai 2014

Der Schrei der Tomate



Clemens G. Arvay: Hilfe, unser Essen wird normiert. Wie uns EU-Bürokraten und Industrie vorschreiben, was wir anbauen und essen sollen. Redline Verlag, 240 Seiten, 19,99 €
Tierquälerei wird bestraft. Und was ist mit den Pflanzen? Der Agrarbiologe Clemens G. Arvay lässt uns in seinem Buch hinter die Kulissen der Saatgut-Industrie schauen. Das Ergebnis ist erschreckend: 
Moderne Pflanzenzucht ist reine Biotechnologie und findet unter Laborbedingungen statt. Nicht selten werden Gifte und radioaktive Strahlen eingesetzt, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Durch Kreuzung entstehen Hybridpflanzen, die zwar eine Saison lang übermäßig Früchte tragen, danach aber unfruchtbar sind. Gemüse wird in praktischer Form gezüchtet, damit es sich platzsparend  stapeln lässt.
Wie sich solches Pflanzendesign auswirkt, lässt sich etwa am Beispiel der Tomate feststellen: Optimale Wassereinlage, damit sich das Gewicht erhöht. Besonders langlebig im Regal. Haut und Fruchtfleisch so dick und widerstandsfähig, dass das Gemüse auch lange Transportwege überlebt.
Arways Buch ist gründlich, informativ und für Laien gut verständlich. Allerdings setzt es ein echtes Interesse am Thema voraus, weil der Autor auf Stories á la „Bauer Piepenbrink gegen die Saatgut-Mafia“ verzichtet und stattdessen Fakten aufführt und Zusammenhänge erklärt. Doch gerade diese Sachlichkeit überzeugt und ist spannend genug. 
P.S.
Nach der Lektüre habe ich das Experiment gemacht: Ich habe eine Tomate aus dem Supermarkt mit Schwung auf einen Steinboden fallen lassen. Tatsächlich, sie sprang wie ein Gummiball und hatte nur einen kleinen kaum sichtbaren Riss in der Haut. Was für ein schönes Design!

Mittwoch, 7. Mai 2014

Neues Weltbild

Axel Burkart: Mit einem Satz das Leben ändern.  Irisiana Verlag, München 2014, 249 Seiten. 16,99 €

Esoteriker müssen jetzt ganz tapfer sein: Dieses Buch ist nichts für sie. Zugegeben, der Titel lässt vermuten, dass es um die berühmten Affirmationen geht. Aber nichts ist mit "Stellen Sie sich jeden Morgen vor den Badezimmerspiegel und sagen Sie:`Ich bin schön, glücklich und erfolgreich.`"
Stattdessen erwartet einen ein anstrengendes und knochentrockenes Werk zum Thema "Glaubenssätze".
Anstrengend, weil man wahre Selbsterkenntnis nicht geschenkt bekommt.
Knochentrocken, weil der Autor - von Hause aus Mathematiker - auf Ankedoten und kleine Geschichten verzichtet, die Ratgeber nomalerweise so gut konsumierbar machen.

Und doch ist es eines der besten und aufregendsten Bücher, das ich in der letzten Zeit gelesen habe.

Basis ist die Tatsache, dass unsere Glaubenssätze unser Weltbild bestimmen, sei es positiv oder  negativ. Wie aus einem Samenkorn erwachsen daraus Gedanken, Gefühle und Handlungen. Schließlich liegt auf der Hand, dass die Einstellung "Ich bin nicht liebenswert" andere Folgen hat als "Ich bin liebenswert."
  
Axel Burkart vermittelt  auf wissenschaftlicher Basis ein präzises Programm mit Übungen, um Schritt für Schritt den eigenen Glaubenssätzen auf die Spur zu kommen und diejenigen abzulegen, die ebenso unwahr wie schädlich sind.

Dieses Buch  liest man nicht in einem Zug, obwohl es klar und verständlich geschrieben ist. Die Wirkung entfaltet sich, wenn man sich darauf einlässt. Und der Titel verspricht nicht zu viel: Einen einzigen grundlegenden negativen Glaubenssatz aufzugeben, kann  das Leben auf der Stelle verändern. 

  

Freitag, 18. April 2014

Gehirnwäsche

Niels Birbaumer: Dein Gehirn weiß mehr als du denkst. Neueste Erkenntnisse aus der Hirnforschung. 269 Seiten.  19,99 €. Ullstein, Berlin 2014

Mögen Sie Krimis? Auch solche, bei denen es einen manchmal gruselt, weil detailliert Dinge beschrieben werden, die nicht gerade angenehm sind? Dann dürften Sie mit diesem Buch von Niels Birbaumer, Professor für Neurobiologie an der Uni Tübingen, gut zurecht kommen.

Es ist nämlich spannend zu lesen, dass wir wandlungsfähiger sind als wir denken. Nur wenige Anlagen sind in unserem Gehirn tatsächlich genetisch festgelegt. Was wir als unsere Persönlichkeit ansehen, ist eher eine von unserer Umwelt und unserem Verhalten geformte Routine. Unser Gehirn tut einfach immer nur das, was ihm in der Situation, in der es sich gerade befindet, den besten Effekt vermittelt.Bei den angeblich unveränderlichen Eigenschaften einer Persönlichkeit handelt es sich also meist um Merkmale, auf die keine Änderungsreize einwirken, so dass man sie deshalb leicht für konsistent halten kann. Wenn sich jedoch eine Situation ergibt, in der das Gehirn mit den  entsprechenden Eigenschaften nicht mehr weiterkommt,es also keinen positiven Effekt mehr erzielen kann, entfaltet es wieder seine volle Flexibilität und die Persönlichkeit ändert sich. Das bedeutet, dass wir nicht bleiben müssen, wie wir sind, sondern es selbst in der Hand haben, uns durch unser Denken und Handeln zu ändern. Wir müssen nicht depressiv, antriebsschwach, schüchtern, ängstlich, leichtsinnig, vorsichtig oder brav sein. Wir können auch ganz anders - wenn wir wirklich wollen!

Die ,manchmal gruseligen Aspekte des Buches entstehen durch Birbaumers Übertragung der  Forschungsergebnisse auf Krankheiten und Neurosen. Da wird uns nichts geschenkt. Ich fand es jedenfalls wenig lustvoll, mich mit dem Locked-in-Syndrom zu beschäftigen und mir dabei vorzustellen, wie es einem Menschen geht, der mit intaktem Gehirn in einem komplett gelähmten Körper ausharren muss. Oder über die grenzwertigen Methoden zu lesen, mit denen Bierbaumer  Angst- und Traumapatienten  heilt.

Trotzdem ist es ein lohnendes und interessantes Buch für alle, die sich  für Hirnforschung und Verhalten interessieren. Zudem ist es gut zu lesen. Der Wissenschaftler hatte beim Schreiben nämlich einen Journalisten zur Seite, der trockene oder schwierige Inhalte locker und verständlich formuliert.

Falls Sie das Buch nicht lesen, weil es das Thema doch recht speziell ist, nehmen Sie aus dieser Rezension wenigstens dies mit: Sie können Ihrem Ideal von sich selbst durchaus näher kommen.
Ich mache jetzt jedenfalls den Selbstversuch.          

Donnerstag, 6. März 2014

Was vom Leben übrig bleibt...

David Menasche: "Davids Liste. Was bleibt, wenn ich gehe." Knaur MensSana. München 2014. 207 Seite. 16,99 €

Themen haben ihre Zeit. Vor kurzem waren noch Bücher über "Glück" im Trend, nun ist der Tod im Fokus der Ratgeber, wie etwa Bronnie Wares "Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen." oder Christiane zu Salm mit "Dieser Mensch war ich".In diese Reihe fügt sich auch das Buch von David  Menasche ein, der persönliche Erfahrungsbericht eines Todkranken.

David Menasche ist ein leidenschaftlicher Lehrer. Mit viel Herzblut und Einfühlungsvermögen unterrichtet er Englisch an einer Senior High School in Miami. Sein Ziel ist es nicht nur, den Kids die Liebe zur Sprache zu vermitteln, sondern auch, ihnen über die Literatur Lebenhilfe zu geben. Bis ihn die fürchterliche Diagnose "Gehirntumor" trifft. Die medizinischen Maßnahmen schwächen ihn so sehr, dass er schließlich nicht mehr unterrichten kann. Er entscheidet sich, die Behandlung abzubrechen. Halb blind und teilweise gelähmt macht er sich allein auf einen Roadtrip durch die USA, wobei er jeweils ehemalige Schülerinnen und Schüler besucht. Für ihn ist das trotz aller Schwieirgkeiten eine Erntezeit, denn er erhält alle Liebe und Fürsorge zurück, die er seinen Schülern in guten Zeiten gegeben hat.

Seine Erfahrungen sind berührend. Obwohl es mich ein wenig irritiert hat, dass sowohl die Beschreibung der Unterrichtserfolge als auch die Rückmeldungen der  Schüler, die am Ende jedes Kapitels stehen, nur positiv sind. Da frage ich mich: Gab es keine Versager, keine Ablehnung, kein Scheitern? Dieser Part scheint mir etwas zu perfekt geraten. Aber diese Kritik ist nur marginal im Vergleich zum Gewinn beim Lesen:
  •  Menasches Leidenschaft für seinen Beruf macht nachdenklich: Tun wir wirklich das, was uns entspricht und was wir lieben? Nur dann wird etwas von uns bleiben, wenn wir nicht mehr sind. Weil es in anderen weiterlebt, denen wir etwas geben konnten. 
  • Auch in der schlimmsten Situation gibt es noch die Wahl zumindest für die innere und oft auch noch für die äußere Freiheit. Das Leben kann auch noch mit größten Einschränkungen lebenswert sein, wenn es uns gelingt, das so zu sehen
Wer kann einen schon überzeugender zum Nachdenken bringen als ein Autor, der lebt, was er vermittelt? Es lohnt sich, das Buch zu lesen.  


    

Montag, 3. März 2014

Das Lob der "Als ob"- Methode

Richard Wiseman: Machen - nicht denken! Die radikal einfach Idee, die Ihr Leben verändert. 
Fischer Taschenbuch. Frankfurt a.M. 2013. 398 Seiten. 9,99 €

Richard Wiseman, Psychologie-Professor an der englischen Universität Hertfordshire, schätze ich schon länger. Seine konkreten Tipps für Glückspilze etwa habe ich gerne in Vorträgen verwandt. Als Autor wertet er wissenschaftliche Untersuchungen praktisch aus, fachlich solide und zur Lesefreude mit Humor aufgelockert.
Nun ist ein neues Buch von ihm erschienen. Der Titel der deutschen Ausgabe lautet provokant "Machen - nicht denken!". Was keineswegs als Aufforderung zu blindem Aktionismus zu verstehen ist.
Vielmehr belegt Wiseman mit bekannten und neuen Untersuchungen, dass die "Als ob" - Methode durchaus Wirkung zeigt. Statt zuerst das Denken zu bemühen, um einen Effekt zu erzielen, wird der Schwerpunkt sofort auf das Verhalten gelegt, frei nach dem Motto des viktorianischen Philosophen William James. Der wies schon seinerzeit auf diese Möglichkeit hin: "Wenn du eine bestimmte Eigenschaft haben willst, handel so, als ob du sie schon hättest."

Dazu ein paar Beispiele aus Wisemans Experimenten-Schau:
  • Wenn Sie Ihre Kreativität hervorlocken wollen, sollten Sie umhergehen, und zwar kurvenreich und unvorhersagbar.
  • Ihr Durchhaltevermögen bei schwierigen Aufgaben steigern Sie, indem Sie Ihre Arme verschränken.
  • Konfrontiert man Sie während Ihrer Diät mit einem Teller Süßspeise, schieben Sie ihn bewusst von sich weg. Auf diese Weise lässt die Versuchung nach. 
  • Falls Sie ein leichtes Schuldgefühl verspüren, waschen Sie Ihre Hände. 

In der Verkürzung klingen diese Beispiele hier vielleicht ein wenig simpel, aber als Fazit aus seriösen Untersuchungen sind sie es keineswegs.

Es lohnt sich, Wisemans Mischung aus Sachbuch und Ratgeber zu lesen. Psychologisch Interessierte  werden ihre Aha-Erlebnisse haben und neue Ansätze zur Veränderung kennenlernen.