Donnerstag, 14. Februar 2019

Schicksalstanz

Annabel Abbs: Die Tänzerin von Paris. 12,99 €. Aufbau Verlage

Im Film nennt man es Biopic – eine Biografie, die durch fantasievolle Elemente lebendig und verständlich wird. Das ist auch Annabel Abbs gelungen. Sie erzählt die Geschichte von Lucia Joyce, der Tochter des irischen Schriftstellers James Joyce, im Zeitraum von 1929 bis 1933.
Lucia lebt noch bei ihren Eltern in Paris. Sie ist eine begabte Tänzerin, die bereits mit öffentlichen Auftritten Erfolg hat und attraktive künstlerische Angebote bekommt. Keines davon kann sie dauerhaft annehmen, weil ihre Eltern sie immer wieder für sich beanspruchen. Der Vater, seit seinem Werk „Ulysses“ als Genie gefeiert, ist halbblind. Er braucht sie als Muse und Arbeitskraft. Die Mutter neidet ihr die Erfolge und manipuliert sie mit moralischen Appellen. Als einziger Weg, sich vom elterlichen Druck zu befreien, erscheint ihr eine Heirat. Sie verliebt sich in den Schriftsteller Samuel Beckett, der ihr zwar Hoffnung macht, sie dann aber bitter enttäuscht. Das Gleiche passiert ihr mit dem Künstler Alexander Calder. Für eine sensible Frau wie Lucia ist das zu viel: Von den Eltern ausgenutzt kann sie ihre Tanzpassion nicht ausleben, in der Liebe wird sie nur verletzt. Das führt zu einem seelischen Zusammenbruch. Am Ende landet sie in einer psychiatrischen Anstalt und wird von C.G.Jung in psychoanalytischen Sitzungen behandelt.
Annabel Abbs beschreibt den Verlauf nicht chronologisch, sondern auf zwei Zeitebenen: Die Gegenwart während der Psychoanalyse, die Vergangenheit als Erinnerung. Sie lässt Lucia ihre Geschichte selbst erzählen. Es entsteht das überzeugende Bild einer von egoistischen Eltern seelisch missbrauchten jungen Frau, die nicht die Kraft hat, sich von dem schädlichen Einfluss zu lösen. Gleichzeitig ist es ein Beispiel dafür, wie schwer es für die Kinder berühmter Menschen ist, ihr eigenes Leben zu führen.
Ein berührendes und aufschlussreiches Buch für alle, die sich auf die Beschreibung seelischer Entwicklungen einlassen mögen.

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