Donnerstag, 30. Juni 2016

MUT ZU FREIHEIT UND LIEBE



Francoise Giroud: Ich bin eine freie Frau. 237 Seiten. 19,90 €. Zsolnay Verlag
Wenn ich das Buch nur mit zwei Worten beschreiben dürfte, dann wären es diese: Herzzerreißend und großartig.
Francoise Giroud gehört neben Simone de Beauvoir zu den herausragenden Frauen der Nachkriegszeit. Sie war Schriftstellerin, Drehbuchautorin, Chefredakteurin der „Elle“, Staatssekretärin unter Valéry Giscard d’Estaing und Kulturministerin in der Regierung von Jacques Chirac. Eine Erfolgsgeschichte, die jedoch äußerst schmerzhafte Zeiten enthält: 1953 gründete Francoise Giroud zusammen mit dem linksintellektuellen Journalisten Jean-Jacques Servant-Schreiber das französische Nachrichtenmagazin L`Express und geht mit ihm ein leidenschaftliches Liebesverhältnis ein. Als er sich von ihr trennt und sie außerdem von der Redaktion ausschließt, versucht sie, sich umzubringen. Sie wird gerettet, bleibt aber seelisch und körperlich beeinträchtigt. In diesem Zustand verfasst sie einen autobiografischen Text über ihre Kindheit, ihre Jugend und ihr Leben als junge Frau, zwischen 1916 und 1960. Sie schreibt über die bittere Armut in ihrem Elternhaus und die daraus resultierenden Verletzungen und Demütigungen, aber auch über ihren Kampf für Gerechtigkeit und persönliche Freiheit. Das Manuskript beginnt mit den Worten: „Ich bin eine freie Frau. Eine glückliche Frau war ich auch, vermag es also zu sein – was gibt es Selteneres auf der Welt?“. Es ist eine intime Spurensuche nach den Motiven ihres Verhaltens. Besonders berührend ist die Beschreibung ihrer Liebe zu Servant-Schreiber. Dabei wechselt sie zwischen psychologischer Klarsicht und  dem blinden Fleck einer Frau, die immer noch liebt und den Geliebten in positivem Licht sehen will.
Der Text war nicht zur Veröffentlichung bestimmt und blieb lange verschollen.  Erst 10 Jahre nach ihrem Tod im Jahre 2003 taucht er wieder auf und liegt jetzt mit diesem Buch vor. Es ist herzzerreißend in seiner Ehrlichkeit und gleichzeitig großartig dank seiner leichten  Sprache, in der die Kunst der Journalistin funkelt. Ich wünsche mir, dass diese faszinierende Kombination noch viele LeserInnen begeistert.       

3 Kommentare:

  1. Vielen Dank für diese Rezension, Frau Dr. Wlodarek! Ich lerne gern von anderen. Die besten Geschichten schreibt ja bekanntlich das Leben. Dieses Buch hört sich sehr lesenswert an. Liebe kann bekanntlich blind machen. Und das kann wohl jede/jeden treffen ..... ! Wenn ich Sie richtig verstehe, war Francoise Giroud bei einer abhängigen Liebe doch keine freie Frau .... ! In dieser Biographie sind wohl Parallelen zum Leben von Coco Chanel .... !

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  2. Im Beruf und ihrer Art zu leben hat Francoise Giroud es geschafft. Aber in der Liebe war die Abhängigkeit wohl doch zu groß. Das erklärt sich für mich als Psychologin auch aus ihrer Vita. In jedem Fall ein faszinierendes buch, das Ihnen bestimmt gefallen wird.

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    1. Gerade habe ich in einer Leseprobe die ersten 26 Seiten des Buches gelesen und finde es jetzt schon faszinierend. Mein Interesse ist geweckt. DANKE nochmals für Ihren Tipp.

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