Donnerstag, 30. August 2018

NICO

Tobias Lehmkuhl: Nico. Biographie eines Rätsels. 271 Seiten. 24.- €. Rowohlt Berlin.

Wer war diese Frau, eine der bekanntesten Ikonen der 60ziger Jahre? 1938 als Christa Päffgen geboren, gibt sie sich den Künstlernamen Nico. Blond, langhaarig, bildschön und irgendwie nicht von dieser Welt arbeitet sie zunächst als Model in Paris. Später versucht sie sich als Filmschauspielerin, etwa in Felllinis „Dolce Vita“. Sie bekommt ein Kind von Alain Delon, das sie vernachlässigt. Ihre Glanzzeit erlebt sie als Muse von Andy Warhol in seiner Factory. Mit der dort entstandenen Band „Velvet Underground“ feiert sie Erfolge. Ihre Liebhaber zählen  zum Who is Who der Rockszene. Als Sängerin findet sie ihren eigenen Stil. Mit ihrer Drogensucht zerstört sie sich schließlich selbst. Nico – ein wildes, selbstbestimmtes Leben in den 60ziger Jahren.
Der Journalist Tobias Lehmkuhl hat die Biographie dieser exzentrischen Frau geschrieben. Kein einfaches Projekt, immerhin hat die Protagonistin gerne falsche Fährten gelegt und haarsträubende Geschichten über sich erfunden. Man spürt, wie intensiv und mühsam sich der Autor durch die widersprüchlichen Zeugnisse ihres Lebens ackern musste. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er dabei auf gefällige, romanhafte  Beschreibungen verzichtet hat. Wo man nichts Genaues weiß, setzt er mutig Fragezeichen. Spannend und gut geschrieben ist die mit einigen  Fotos angereicherte.Dokumentation trotzdem.
Am Ende hat man als LeserIn ein Bild von Nico. Gleichzeitig bleibt es vage und geheimnisvoll Das liegt jedoch an ihrer Persönlichkeit, nicht an ihrem sorgfältigen Chronisten. Wer sich für die Sixties und ihre Idole interessiert, erhält mit diesem Buch ein spannendes, interessantes Porträt.
  

Montag, 27. August 2018

Unglaublich, aber wahr

Hera Lind: Mein Mann, seine Frauen und ich. Roman nach einer wahren Geschichte. 400 Seiten. TB 9,99 €. Diana Verlag

Geschichten, die das Leben schrieb…Hera Lind, ursprünglich Autorin flotter fiktiver Frauenromane, hat sich inzwischen darauf spezialisiert, dramatische Erfahrungen von Frauen romanhaft wiederzugeben. Dass es sich um wahre Erlebnisse handelt, macht den Reiz der Lektüre aus. Als Leserin kann man wohlig erschauernd denken: „Das darf doch nicht wahr sein!“. So wie bei dieser Geschichte:
Nadia, eine geschiedene Frau um die 40 verliebt sich in den smarten Iraker Karim, der einen Aufenthaltsstatus in den Niederlanden hat. Das Problem ist nur: Karim hat bereits eine Frau und zwei Kinder. Doch als Muslim darf er bis zu vier Frauen heiraten. Deshalb ist er auf der Suche nach einer zweiten Frau, die ihm Liebe und Wärme schenkt. Nadia, die eine Vorliebe für alles Orientalische hat, ist ihm von Freunden empfohlen worden. Nur kurze Zeit nach ihrem ersten Treffen hält er um ihre Hand an. Total verliebt stimmt Nadia der Heirat zu. Tatsächlich trägt er sie lange Zeit auf Händen. Sie geht mit ihm in den Oman, wo sie sich als Frau konservativsten islamischen Regeln unterwerfen muss. Als später noch eine dritte und vierte Frau hinzukommt, verlässt Nadia nach mehreren halbherzigen Trennungen ihren Ehemann endgültig und lebt seitdem als Single auf einer kanarischen Insel.
Beim Lesen fragt man sich, was um Himmelswillen die Protagonistin dazu gebracht hat, sich als emanzipierte Frau freiwillig so einem restriktiven Frauenbild anzupassen. Gleichzeitig ist es faszinierend, einmal einen Insiderblick in die konservative islamische Welt zu werfen. Hera Lind hat das sehr respektvoll beschrieben, so dass sich sowohl der Reiz als auch die Problematik erschließen. Ein spannendes Buch und eine gute Urlaubslektüre.  

Dienstag, 21. August 2018

Sei mal still!


Erling Kagge: Stille. Ein Wegweiser. 140 Seiten. 14.- €. Insel Verlag
Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je? Mit diesen drei zentralen Fragen macht sich der norwegische Verleger, Abenteurer und Familienvater Erling Kagge auf die Suche nach dem Wesen der Stille. Nicht ohne Grund trägt das Buch den Untertitel "Ein Wegweiser“: Der Autor will keine Definitionen oder allgemein gültige Antworten geben, sondern dazu anregen, eigenständig über Stille nachzudenken. Philosophisch behandelt er das Thema und untermalt es immer wieder mit eigenen Erlebnissen. Etwa mit Erfahrungen während seiner einsamen Wanderung zum Südpol oder seinem Gang durch die Kanalisation New Yorks. Dabei streift der ebenso gebildete wie weit gereiste Autor auch wie beiläufig japanische Dichtkunst, Musik, wissenschaftliche Experimente und die Aussagen philosophischer Geistesgrößen. Im Rahmen meiner Dissertation über Glücklichsein stieß ich seinerzeit auf den Satz: „Das Glück kann man nicht definieren, man kann es nur umkreisen.“ Das gilt offenbar auch für die Stille. Kagge umkreist sie in kluger, weitläufiger und sehr persönlicher Art. Ergänzt und illustriert wird der Text durch Natur-Fotos und Grafiken.
Wer sich eine persönliche Anregung wünscht, erhält sie mit diesem Buch auf unterhaltsame und leicht lesbare Weise. Eine stringente, eher wissenschaftliche Betrachtung darf man jedoch nicht erwarten - aber darauf hat der Untertitel ja schon hingewiesen.


Donnerstag, 16. August 2018

Nutz das Navi in deinem Kopf !

Allan & Barbara Pease: Wie du kriegst, was du brauchst, wenn du weisst, was du willst. 313 Seiten. 16,99 €. Ullstein extra

„Same same but different“, „Alles ist gleich, aber trotzdem anders“ lautet ein geflügeltes Wort in Thailand. Es fiel mir bei der Lektüre dieses Buches spontan ein: Nichts darin ist wirklich neu. Das Autorenpaar empfiehlt, Ziele aufzuschreiben und sie mit Affirmationen und Visualisierung aufzuladen. Ferner soll man andere Menschen um Hilfe bitten. Soweit, so bekannt. Doch dann kommt der Unterschied, der mich begeistert hat: Grundlage für den Erfolg sind hier keine esoterischen  Wünschelrutengänge, sondern ein Areal in unserem Gehirn, das Retikulare Aktivierungssystem (RAS). Es wirkt wie ein Navigationssystem. Sobald wir es mit konkreten Zielen füttern, setzt es das, was wir wollen, in den Fokus und blendet alles andere aus. Ein bekanntes Beispiel: Wer sich einen roten Porsche kaufen will, sieht plötzlich auf der Straße lauter Autos diesen Typs. Indem das RAS unser Wahrnehmungsfeld bestimmt, zeigt es uns Schritt für Schritt, wo und wie wir finden, was wir suchen. Dass das tatsächlich funktioniert, belegt das Ehepaar Pease mit persönlichen Erfahrungen. Nach dem Motto „Lass dir von niemandem raten, der nicht schon erreicht hat, was du willst“ sind gerade diese Passagen besonders überzeugend. Mit Schulden in Millionenhöhe zu starten und dann Mega-Bestseller zu konzipieren oder trotz vermeintlicher Unfruchtbarkeit noch zwei Kinder zu bekommen – das ist schon beeindruckend.
Ein inspirierendes Buch, das die bekannten Übungen zur Zielsetzung in einem neuen Licht erscheinen lässt und damit anspornt, sie auch anzuwenden.     

Freitag, 10. August 2018

Diese Heirat muss verhindert werden!


Greer Hendricks & Sarah Pekkanen: The Wife between uns. 442 Seiten. 12,99 €. Rowohlt Polaris
Krimis, in denen grausam gemetzelt wird, sind nicht mein Fall. Ich gehöre eher zur Highsmith-Fraktion und goutiere psychologisch raffiniert konstruierte Romane. So einer ist dem Autorinnenduo gelungen:
Vanessa führt als Ehefrau an der Seite von Richard ein Luxusleben. Doch dann verlässt dieser Traummann – gutaussehend, erfolgreich, charmant, fürsorglich - sie für die junge Nellie und will diese  sogar heiraten. Die alkoholsüchtige, psychisch lädierte Vanessa hat nur eines im Kopf: Diese Heirat muss sie auf jeden Fall verhindern.
Abwechselnd werden Vanessas verzweifelte Gefühle nach der Trennung und Nellies ahnungslose Vorbereitungen auf die Hochzeit beschrieben. Darin liegt schon eine Menge Spannung. Eine rachsüchtige Ex – man weiß ja, zu was die fähig ist. Doch dann zeigt sich: Nichts ist, wie es scheint. Ein Vexierspiel beginnt, in dem falsche Fährten gelegt werden. Plötzlich sieht man als LeserIn die Geschichte aus einer völlig anderen Perspektive. Mehr möchte ich aber jetzt nicht verraten, um die Spannung zu erhalten. Nur so viel: Es geht um ein Abhängigkeitsverhältnis, in das drei Frauen verwickelt sind und in dessen Zentrum der „Traumprinz“ Richard steht. 
Der Roman überrascht durch unerwartete Wendungen, die sich erst langsam entfalten und überzeugt mit ausführlichen Schilderungen der Protagonistinnen. Wem Bücher wie „Gone Girl“ oder „Girl On the Train“ gefallen hat, der wird auch dieses Buch mögen. Es ist spannend, überraschend und wirkt vor allem durch seinen psychologischen Ansatz.

Sonntag, 5. August 2018

Stärke zeigen

Frank Rebmann: Der Stärkencode. Die eigenen Talente entschlüsseln und weiterentwickeln. 220 Seiten. 16,95 €. Campus

Der Spruch „Stärken stärken“ ist gewiss jedem geläufig. Also nicht verzweifelt an den Schwächenzu  arbeiten, sondern lieber das eigene Talent, das schon in unseren Genen steckt, zu entfalten. Genau darum geht es in diesem Ratgeber. Doch zunächst müssen die eigenen Stärken ja erst einmal erkannt werden. Dazu bietet Rebmann einen Selbsttest an, der auf zahlreichen Eigenschaften beruht. Die beurteilt man für sich und landet schließlich als Ergebnis auf einer von 5  Dimensionen: Analytische, entdeckende, praktische, kooperative oder stabilisierende Stärke. Im Folgenden geht es dann darum, wie man diese Stärke  ausleben kann. Denn erst dann sind wir wirklich glücklich. Entsprechend nimmt sich der Autor die inneren Saboteure vor, die uns daran hindern, zum Beispiel Verzettelung, Aufschieberitis oder Perfektionismus, und zeigt .Auswege. Mit der Formel „Talent + Training = Stärke + Erfolg“ entlässt er die LeserInnen als AutorInnen ihres eigenen Drehbuches. Sie sind aufgefordert, aus ihrem angeborenen Talent eine Stärke zu machen und diese beruflich einzusetzen. Das Ergebnis ist verlockend: Leichtigkeit, Leidenschaft, Freude und last but not least hervorragende Arbeit..
Wer sich schon mit dem Thema „Talent“ beschäftigt hat, wird zu diesem Thema zwar nichts überraschend Neues finden, wohl aber praktische Hilfestellung, um die eigenen Stärken zu entdecken und sie auch auszuleben.