Donnerstag, 15. Juni 2017

Ganz schön farbig!



Haruki Murakami: Die Pilgerreise des farblosen Herrn Tazaki. 318 Seiten. 22,99 € . Dumont
Dieses Buch ist nicht das erste, das ich von dem japanischen Schriftsteller Murakami in die Hand bekommen habe. Ich habe „Gefährliche Geliebte“ und „Kafka am Strand“ gelesen und in „Von Beruf Schriftsteller“ einen Blick hinter die Kulissen seines Schreibens geworfen. Der Autor schafft es immer wieder, mit einer geheimnisvollen Mischung aus Realität und Traum eine faszinierende Atmosphäre zu kreieren. So auch in der „Pilgerreise“.
Der junge Tsukuru Tazaki ist Teil einer eingeschworenen Gruppe von fünf Freunden, die außer ihm alle eine Farbe in ihrem Namen tragen. Auch im übertragenen Sinne empfindet er sich als farblos, denn anders als seine Freunde hat er keine besonderen Fähigkeiten oder Vorlieben - bis auf sein spezielles Interesse für Bahnhöfe. Als er nach dem Schulabschluss die gemeinsame Heimatstadt Nagoya verlässt, um in Tokio ein Ingenieurstudium zu beginnen, bleibt die enge Freundschaft zunächst erhalten. Doch bei einem Besuch zuhause schneiden ihn seine Freunde plötzlich und verweigern jede Erklärung über den Grund. Verzweifelt kehrt Tsukuru nach Tokio zurück, vor Kummer dem Selbstmord nahe. Viele Jahre später offenbart der inzwischen 36-jährige seiner neuen Freundin Sara, dass er immer noch unter dieser unerklärlichen Abweisung seiner Jugendfreunde leidet. Sara ermutigt ihn, sie einzeln aufzusuchen und der Geschichte auf den Grund zu gehen, nur so könne er sich von den Schatten seiner Vergangenheit befreien und für eine Liebe offen werden. Tsukuru befolgt ihren Rat und macht eine Art Pilgerreise zu seinen alten Freunden. Was er dabei erfährt,will ich hier nicht verraten, damit die Spannung erhalten bleibt.
Murakamis Sprache ist einfach, klar und nicht besonders poetisch. Manche Stellen des Romans wirken, als wären sie vom Absolventen eines Schreibkurses verfasst worden, der brav die Anweisung befolgt, längere Dialoge mit Beschreibungen zu unterbrechen („Der Kellner stellte das Zitronensoufflé und den Espresso auf den Tisch. Sara aß mit Genuss. Offenbar hatte sie doch die richtige Wahl getroffen“.). Aber das sind nur Kleinigkeiten, über die ich als ehemalige Germanistin gestolpert bin. Die Magie dieses Buches entsteht nicht durch die Sprache, sondern durch den Inhalt, durch das Innenleben und die Erfahrung des Protagonisten. Das ist so spannend, dass ich das Buch an einem Wochenende ausgelesen habe.     


Samstag, 3. Juni 2017

Hundert Jahre Lebensfreude



Francesc  Miralles, Héctor Garcia: “Ikigai. Gesund und glücklich hundert werden“. 224 Seiten. Ullstein  17.- €,
Ganz ehrlich, bisher zählte es nicht zu meinen erklärten Wunschzielen, hundert Jahre alt zu werden. Verbindet man das doch meist mit vielen unangenehmen Einschränkungen. Die Autoren Francesc Miralles und Héctor Garcia setzen eine andere Sichtweise dagegen: Wenn wir unser „Ikigai“ – übersetzt etwa „Sinn des Lebens“ - finden, haben wir die Chance, bis ins hohe Alter ein gesundes und erfülltes Dasein zu führen. Dazu haben sie Bewohner der japanischen Insel Okinawa besucht, die auch als „Insel der Hundertjährigen“ bekannt ist. Die alten Menschen dort sind vital und glücklich. Ihr Geheimnis besteht darin, dass sie sich sehr gesund ernähren, sich regelmäßig bewegen, eine Aufgabe haben, die sie lieben und  gute soziale Beziehungen pflegen. Auf diese Weise zufrieden uralt zu werden, ist jedoch nicht die einzige Methode. Die die Autoren sprechen auch noch andere Aspekte an, wie das Glück im „Flow“, dem zeitlosen Zustand höchster Konzentration, oder das Bemühen, auch in negativen Ereignissen einen Sinn zu finden, wie es Viktor Frankl in seiner Logotherapie beschreibt.
Insgesamt bietet das Buch ein Puzzle zum Thema „Wie man ein glückliches langes Leben erreicht“.
Leider ist es mir nicht vergönnt, im Dorf Ogimi auf Okinawa meinen Garten zu bestellen und tagsüber entspannt mit den Dorfbewohnern zu plaudern. Ich lebe in einer Großstadt.und bin berufstätig. Für mich wie wohl für die meisten LeserInnen erfordert es deshalb schon einige Überlegungen, wie sich die guten Tipps fürs Ikigai auf die eigene Situation übertragen lassen. Doch  Anregung für ein glückliches langes Leben gibt das Buch allemal. Vielleicht klappt es dann ja auch mit den aktiven Hundert.