Montag, 29. Oktober 2018

Innere Schönheit

Carmen Maria Poller: Glücklich, schön, selbstbewusst. 209 Seiten.14,99 € , Trias
Wer hätte diese drei Eigenschaften nicht gerne? Ich war neugierig, auf welche Weise sie mir die Autorin vermitteln möchte. Bitte nicht wieder das bekannte „Liebe dich selbst“ oder „Sport und gesunde Ernährung“. Tatsächlich hat Carmen Maria Poller einen anderen, genial einfachen Ansatz. Er beruht auf dem Spruch „Wahre Schönheit kommt von innen“. Damit sind keineswegs nur innere Werte gemeint. Vielmehr gilt: Wer sich gut fühlt, sieht auch gut aus. (was wir spätestens feststellen, wenn wir verliebt sind). Dazu gibt Poller Inspiration und Tipps. Von Hause aus ist sie Coach und hat sich auf Facereading, also die Ausdeutung von Gesichtszügen, spezialisiert. Dem widmet sie einen großen Teil des Buches zur Selbstdiagnose. Zunächst war ich skeptisch. In jungen Jahren hatte ich nämlich schlechte Erfahrungen mit einem Anhänger von Carl Huter, dem Begründer der Physiognomik, gemacht. Er vermaß auf dem Podium Gesichter und leitete daraus feststehende Charaktermerkmale ab. Doch meine Sorge war unbegründet. Carmen Poller gibt behutsam und ohne dogmatisch zu sein Impulse, wie man das eigene Gesicht erforschen kann. Dabei beruft sie sich auch auf die chinesische Medizin. Im größeren Teil des Buches befasst sie sich dann damit, wie wir Stress und negative Gefühle abbauen und positive aufbauen können, um voller Energie zu strahlen.
Das Buch ist inspirierend und sehr entspannend im Blick auf die eigenen Mängel. Es überzeugt, dass Wohlgefühl und Sinnlichkeit die beste äußere „Selbstoptimierung“ sind.

Donnerstag, 25. Oktober 2018

Weltreise im Oldtimer

Heidi Hetzer: Ungebremst leben. Wie ich mit 77 Jahren die Freiheit suchte und einfach losfuhr. 360 Seiten. 20.- € . Ludwig Verlag
Am 27. Juli 2014 bricht die 77jährige Berlinerin Heidi Hetzer mit ihrem Oldtimer „Hudo“ (Info für Kenner: Ein Hudson Great Eight Coach Baujahr 1930), zu einer Weltreise auf. Ihr großes Plus: Heidi kann mit Autos umgehen. Ihr Vater besaß eine Werkstatt und später ein Autohaus. Schon als Kind schraubte sie an Vehikeln herum, machte als junge Frau eine Kfz-Lehre und fuhr Rallys.   
Ihr Trip führt sie von Europa nach Asien, über China bis runter nach Singapur, per Schiff nach Australien, weiter nach Neuseeland, von dort an die Westküste der USA, quer durch die USA und Kanada wieder bis nach Florida, weiter nach Südamerika, dann in den Süden Afrikas und schließlich über Südeuropa zurück nach Deutschland. Die Tour de force ist voller Hindernissen: „Hudo“ hat häufig Macken und muss immer wieder repariert werden. Doch seine taffe Fahrerin lässt sich nicht unterkriegen. Über alle Sprachbarrieren hinweg verständigt sie sich mit den Menschen, denen sie begegnet und knüpft freundschaftliche Kontakte. Nach 85000 Kilometern, 960 Tagen, 46 Ländern ist sie wieder daheim in Berlin.
Heidi Hetzer hat Ihre Erfahrungen auf dieser gigantischen Tour mit dem Autor Marc Bielefeld zu einem Buch verarbeitet. Ergänzt wird es mit ca. 70 Fotografien. Die Sprache ist unprätentiös, oft selbstironisch, die Erlebnisse werden eher sachlich geschildert und beziehen sich häufig auf die Fahrtüchtigkeit des Oldtimers. Für mich als Nicht-Autofahrerin ist das manchmal etwas dröge. Was das Buch aber interessant macht, ist der Optimismus, die Offenheit für ihre Umgebung und das Durchhaltevermögen der Lady. In diesem Sinne ist sie ein echtes Vorbild, besonders für Frauen: Wenn sie es in ihrem Alter geschafft hat, ihren Traum zu verwirklichen, dann hat wohl keine(r) von uns eine Ausrede, das nicht ebenfalls zu versuchen. Es muss ja nicht gleich eine Weltreise sein.

Freitag, 19. Oktober 2018

Fürchtet euch

Bob Woodward: Furcht. Trump im Weissen Haus. 520 Seiten. 22,95 €, Rowohlt

Heute morgen am Frühstückstisch: "Hast du eigentlich das Buch über Trump ausgelesen?" "Ja". "Und, neue Erkenntnisse?" "Ja - es ist alles noch viel schlimmer."
Bob Woodword hat seit Watergate einen hervorragenden Ruf als Enthüllungsjournalist. So darf man erwarten, dass sein Buch über Donald Trump der Wahrheit entspricht. Und die ist verstörend: An der Spitze einer Weltmacht steht ein Präsident, der weder von Diplomatie noch von globalen wirtschaftlichen Zusammenhängen Ahnung hat, der emotional reagiert und unkontrolliert Entscheidungen fällt. Nicht alles davon ist neu, schließlich waren und sind Trumps Kapriolen immer wieder Thema in den Medien. Aber hier werden sie ausführlich und präzise belegt, beginnend mit dem Wahlkampf. Wir erfahren, dass alles noch viel schlimmer ist. Das Team um den Präsidenten besteht aus Jasagern, die sich gegen besseres Wissen sein Wohlwollen erhalten möchten und Amateuren aus dem Familienclan. Daneben gibt es eine Gruppe mutiger Mitarbeiter, die versuchen, das Äußerste zu verhindern. Heimlich lassen sie Unterlagen von Trumps Schreibtisch verschwinden, in der Hoffnung, dass er vergisst, dass er sie unterschreiben wollte.
Ein politisches Desaster, akribisch zusammengetragen auf 520 Seiten, belegt mit 38 Seiten Quellenangaben – wobei natürlich einige aus gutem Grund nicht preisgegeben werden. Tatsächlich liest sich das Buch wie ein Protokoll. Woodword schreibt sehr sachlich und verzichtet auf persönliche Kommentare. Dass es sich trotzdem spannend liest, liegt auch an der häufig angewandten wörtlichen Rede. Sie gibt einem das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Wer sich über die Vorgänge im Weißen Haus gründlich informieren möchte, hat mit diesem Buch eine verlässliche Lektüre. Wenn es sich nicht um erschreckende Fakten handelte, würde ich sie sogar unterhaltsam nennen,

Dienstag, 16. Oktober 2018

Eintauchen

Jennifer Egan: Manhattan Beach. 490 Seiten. 22.- € .S.Fischer

New York während des Zweiten Weltkriegs. Die junge Anna Kerrigan arbeitet wie viele andere Frauen in einer Kriegsfabrik der Marinewerft, um ihre Familie durchzubringen. Ihr Vater Eddie ist verschwunden, die Mutter muss sich um die Pflege der schwerstbehinderten Schwester Lydia kümmern. Zwei einschneidende Erlebnisse verändern Annas Leben: Nachdem sie eines Tages Taucher bei einem Übungsgang beobachtet hat, setzt sie mutig und zielstrebig alles daran, Marinetaucherin zu werden und unter Wasser Schiffe zu reparieren. Und sie begegnet Dexter Styles, Nachtclubbesitzer und Syndikatsmitglied, der seinen Reichtum überwiegend illegalen Geschäften verdankt. Für ihn hat ihr Vater vor seinem Verschwinden gearbeitet.
Jennifer Egan, Trägerin des Pulitzer-Preises, hat einen Roman geschrieben, in den man im wahrsten Sinne des Wortes völlig eintaucht. Sie verwebt mehrere Erzählstränge miteinander und zeichnet damit ein Bild der Zeit und des New York der 40er Jahre. Liebe, Verbrechen, Familienprobleme  und Schicksal – alles dabei. Wer große Geschichten mag, wird von dem Buch fasziniert sein.

Samstag, 13. Oktober 2018

Berliner Nächte

Detlef Bluhm: Berlin im Glanz der Nacht. Berlin after dusk. 208 Seiten. 200 farbige Abbildungen. 24,5 cm. 28.- €. be.bra.verlag

Kürzlich war ich nachts ganz allein in Berlin unterwegs. Es war faszinierend. In der Dunkelheit zeigt sich die Stadt ganz anders als am lebhaften Tag – geheimnisvoll, einsam, leuchtend. Zu später Stunde entfalten menschenleere Orte einen besonderen Zauber. Die Sehenswürdigkeiten, Straßen und Plätze, Parks, Bürogebäude, Kneipen, Supermärkte, Hotels, Läden, Museen und Bahnhöfe scheinen ein Eigenleben zu führen, sie erzählen eine Geschichte.
Nun ja, zugegeben, ich habe unsere Hauptstadt nicht wirklich nächtens durchstreift, das wäre mir doch etwas zu riskant. Aber mit dem Bildband von Detlef Bluhm ist es so, als wäre man tatsächlich auf einer nächtlichen Entdeckungsreise durch Berlin. Bei so manchem Foto bekommt man Lust, sich die Lokalität auch bei Tage anzusehen, etwa das Ballhaus in Mitte oder den Botanischen Garten in Zehlendorf . Aber ich bezweifle, dass man dabei die Magie entdeckt, die Detlef Bluhm mit seinen nächtlichen Fotos eingefangen hat. Sein Blick für die Besonderheit lehrt sehen und führt dazu, dass man vermeintlich Bekanntes völlig neu entdeckt. Dabei erinnert mich die Präzision und der Realismus der Aufnahmen häufig an Gemälde von Edward Hopper.
Ein fantastisches Buch, das man immer wieder anschauen möchte, ein Geschenk für jeden Berlinfan.