Irmgard Keun: Kind aller Länder. 221 Seiten.
17,99 €, Kiepenheuer & Witsch
Irmgard Keuns Buch „Das kunstseidene Mädchen“ hatte ich vor Jahren mit großem
Vergnügen gelesen. So war ich neugierig, als ich in der Verlagsvorschau auf
dieses aufmerksam wurde.
Irmgard Keun war in den 1930er Jahren eine
vielgelesene Autorin und wurde von bedeutenden Kollegen wie Tucholsky als junges
Talent bewundert. Ihre Romane waren Bestseller, anrührend, hintergründig und charmant geschrieben. Der literarische Erfolg wurde durch die Nazi jäh beendet, sie sah sich
gezwungen, ins Exil nach Belgien und in die Niederlande zu gehen. Auf dieser
Erfahrung beruht der autobiographisch gefärbte Roman. Er handelt vom Schicksal
einer Emigrantenfamilie Ende der 30er Jahre. Der Vater, ein Schriftsteller, zieht mit Frau und Tochter
kreuz und quer durch Europa und ist ständig bemüht, Geld und Visa aufzutreiben.
Trotz dieser deprimierenden Umstände bringt einen das Buch an vielen Stellen zum
Lachen. Irmgard Keun beschreibt die Ereignisse nämlich aus der Perspektive der
neunjährigen Tochter Kully. Die macht sich ebenso naiv wie altklug und scharfsichtig
ihre Gedanken, etwa so: “Ich kann ja überall herumspringen und lustig sein.
Aber Erwachsene brauchen Geld, wenn sie lustig sein wollen. Darum haben sie es
viel schwerer als ein Kind.“ Oder „Entweder man liebt seine Eltern, dann ehrt
man sie sowieso, oder man liebt sie nicht, dann können die Eltern mit der ganze
Ehre verdammt wenig anfangen.“
Stilistisch ist diese Perspektive eine Gratwanderung,
die Irmgard Keun nicht immer gelingt. Manchmal äußert sich ihre Protagonistin
Kully für eine Neunjährige dann doch etwas zu blumig-literarisch („Die Nacht
streute Sternenlichter in unser Abteil“). Man hört die erwachsene
Schriftstellerin hindurch. Trotzdem ist
es ein lesenswertes Buch. Als ein Stück Zeitgeschichte und als Vermächtnis
einer Schriftstellerin, die Tragik heiter zu beschreiben wusste.
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