Freitag, 25. Mai 2018

Schreib doch mal!


Tatijana Milovic: Rewrite your life. Schreibend sich selbst entdecken. 237 Seiten. 14.-€. Kailash 
Meine Lieblingsübung ist diese: Man nimmt ein Bonbon in den Mund. Dabei stellt man sich vor, es handele sich um eine Wunderpille. Die deaktiviert das Gehirnareal, in dem Gedanken des Scheiterns produziert werden und führt dazu, dass wir nie mehr versagen. Und nun sollen wir den Beipackzettel zu dieser innovativen Droge schreiben: Welche Folgen hat es, sich nie mehr als Loser zu fühlen? Wird das Leben dann bereichert oder eher eingeschränkt?
Tatijana Milovic, Redakteurin, Coach und Poetry-Slammerin, hat in ihrem Buch viele solcher fantasievollen Übungen zusammengestellt. Wer sich darauf einlässt, erfährt, dass Schreiben viel mehr ist als nur ein kreativer Ausdruck oder ein entlastendes Ventil. Es ist ein wirksames Werkzeug, um sich mit dem eigenen Selbstbild auseinander zusetzen.
Das Buch besteht aus zwei Teilen: Im ersten werden grundlegende Schreibstile wie Kurzgeschichte, Autobiografie oder Drama erläutert. Der zweite enthält eine „Reise in die Vergangenheit“, eine „Reise in die Gegenwart“ und eine „Reise in die Zukunft“. Auf diesen „Reisen“ gibt es dank zahlreicher Vorschläge spielerische und lustvoll eine Menge über sich zu entdecken. Zum Beispiel: Die wichtigsten Personen im eigenen Leben schriftlich zu porträtieren, ein Präventionsprogram über emotionale Viren zu entwerfen oder einen persönlichen Glücksbaum zu beschreiben.
Ein anregendes, charmantes Buch. Wer gerne schreibt, wird auf kreative Weise dazu gebracht, mehr über sich selbst zu erfahren, als mit bloßem Nachdenken möglich wäre. 
  
 

Mittwoch, 16. Mai 2018

All the lonely people

Manfred Spitzer: Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit. Schmerzhaft. Ansteckend. Tödlich. 242 Seiten plus 65 Seiten Quellennachweis. 19,99 €. Droemer.

Seit einiger Zeit ist das Thema Einsamkeit in den Medien aktuell. Nun hat es auch der bekannte Psychiater Manfred Spitzer aufgenommen. Sein Buch habe ich aus besonderem Interesse gelesen: Mit meinem Ratgeber „Einsam. Vom mutigen Umgang mit einem schmerzhaften Gefühl“ habe ich schon vor vielen Jahren begonnen, das Tabu Einsamkeit anzusprechen. Doch während ich als Psychologin konkrete Möglichkeiten aufzeige, wie man diesen Zustand beendet, hat Spitzer einen anderen Ansatz. Er hat wissenschaftliche Untersuchungen zusammengetragen, die er erläutert. Dazu erklärt er im Vorwort: „Im vorliegenden Fall wird dem Leser das aufwendige Studium einiger Hundert wissenschaftlicher Arbeiten erspart. Das sich daran anschließende Nachdenken über die jeweils eigene konkrete Situation – was genau jetzt und hier zu tun ist – kann das Buch nicht ersetzen.“
Der Autor unterteilt sein Werk in 10 Kapitel: 1. Megatrend und Krankheit. 2. Einsamkeit tut weh. 3. Soziale Ansteckung. 4. Einsamkeit löst Stress aus. 5. Online (gem)einsam. 6. Einsamkeit als Krankheitsrisiko. 7. Todesursache Nr. 1. 8. „Du machst mich krank!“. 9. Was tun? 10. Einsamkeit suchen. Jedes enthält eine Anzahl Studien, überwiegend aus den USA.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse wirken schockierend. Das ist einerseits heilsam, denn es führt unserer Gesellschaft vor Augen, welche dramatischen Folgen Einsamkeit hat. Spitzers großes Verdienst ist es, das seriös zu belegen und auf diese Weise wachzurütteln. Auf Betroffene dürfte die Lektüre allerdings eher einen deprimierenden Effekt haben. Als ob uns ein Arzt mitteilt: Sie haben einen tödlichen Tumor, aber um die Behandlung müssen Sie sich selbst kümmern. Hier bietet der Autor auf wenigen Seiten als Strategie nur „Geben“, „Helfen“ und „Natur“ an. Aber wie er selbst sagt, ist die Abhilfe ja auch nicht sein Thema. Einsamen LeserInnen möchte ich deshalb ergänzend mein Buch empfehlen. Nicht als Eigenwerbung, sondern aus Fürsorge.

Sonntag, 13. Mai 2018

Fortsetzung folgt

Haruki Murakami: Die Ermordung des Commendatore Teil 2 - Eine Metapher wandelt sich. 489 Seiten, 26.-€. Dumont

Den ersten Band habe ich begeistert besprochen, nachzulesen unter: http://wlodarek-rezensionen.blogspot.de/2018/04/magische-welt.html
Auch in diesem zweiten Teil findet sich die Verbindung von Realität und surrealen Ereignissen, die Murakami so virtuos beherrscht. Sein Protagonist durchbricht mal wieder Zeit und Raum. Auf der Suche nach dem Mädchen Marie, dass er porträtiert hat und das plötzlich verschwunden ist, landet er in unterirdischen Landschaften. Marie hat sich währenddessen in das Haus des reichen Herrn Menshiki geschlichen und sich dort mehrere Tage versteckt. Am Ende treffen sich Maler und Modell wieder in der Gegenwart.
Murakamis Sprache ist wie immer von eigenem Reiz, die Bilder der surrealen Unterwelt sind großartig. Man fühlt sich beim Lesen wie Alice im Wunderland. Aber – und das sage ich als Murakami-Fan nur äußerst ungern: Die Geschichte ist nicht besonders spannend. Trotzdem: Wer A sagt, muss auch B sagen. Wer den ersten Teil gelesen hat, mag den zweiten nicht verpassen.

Freitag, 4. Mai 2018

Einfluss nehmen

Marie Luise Ritter: Follow me! Machen, was man liebt und damit Geld verdienen – so wird man Influencer. 240 Seiten. 16,99 €. Redline Verlag

In den guten alten Zeiten vor der Digitalisierung sprach man von „Meinungsmachern“. Heute heißt es schicker „Influencer“ und betrifft außerdem einen neuen Berufszweig. Dazu gehören vor allem Mode- und Life-Style-Blogger. Manche von ihnen haben Tausende Follower, die sich gerne ihrem Lebensstil, ihrer Meinung und ihrem Rat anschließen. Weil zumindest die Stars der Szene außer Anerkennung mit Produktwerbung viel Geld verdienen, avanciert der Beruf zum Traum vieler junger Frauen (und Männer).
Marie Luise Ritter, Journalistin und erfolgreiche Bloggerin, beschreibt in ihrem Ratgeber das Berufsbildes des Influencers mit allen Facetten. Das Buch ist unterteilt in die Kapitel: Social Media. Beruf Influencer. Erfolgsfaktor Bloggen. Instagram. Kooperationen. Community-Management. Authentizität. Marke. Selbständigkeit. Tipps und Tricks für Erfolgreiches Influencer-Marketing.
Präzise und verständlich gibt die Autorin praktische Ratschläge aus ihrer reichen Erfahrung. Dabei fällt angenehm auf, dass sie nicht nur professionell, sondern auch verantwortungsbewusst ist. Sie macht sich Gedanken über ihre Wirkung, faire Kennzeichnung von Werbung und guten Umgang mit ihren Fans.
Ein unverzichtbares Handbuch für alle, die mit dem Influencer-Job liebäugeln. Aber auch LeserInnen, die sich über einen Trend informieren möchten, werden es spannend finden - zumal sich manches auch auf die non-digitale Selbstdarstellung übertragen lässt.