Mittwoch, 27. Juli 2016

Küchenlust



Anne-Katrin Weber: Deftig vegetarisch - schmoren. backen. braten. rösten. panieren. grillen.
220 Seiten, Großformat 23 x 29,7 cm. 29.95 €. Becker Joest Volk Verlag

Ich bin keine begnadete Köchin, die mit lockerer Hand fantastische Geschmackserlebnisse kreiert, aber mit guten unkomplizierten Rezepten habe ich durchaus Erfolgserlebnisse. Vegetarisch müssen sie allerdings sein, denn seit einigen Jahren esse ich nichts mehr, was sich mal bewegt hat. Alles das finde ich in diesem schön und praktisch aufgemachten Kochbuch. Es enthält über 70 einfache, aber doch raffinierte Rezepte und macht einem mit rund 100 Fotos den Mund wässerig. Lassen Sie sich das mal auf der Zunge zergehen: Pasta mit gebratenen Artischocken, Tomaten und Pecorino. Polentagratin mit Pilzen. Ziegenkäsetart. Nur drei von zahlreichen Rezepte, die ich schon ausprobiert habe. Ergebnis: Lecker! Das sagt auch mein Mann, der meine Veggie-Konsequenz nicht unbedingt teilt. Ein Kochbuch, das sich lohnt und auch Nicht-Vegetarier überzeugen kann.
Übrigens gibt es von der gleichen Autorin zur festlichen Ergänzung das Kochbuch „Party- und Fingerfood – Deftig vegetarisch“.   

Donnerstag, 14. Juli 2016

Kein Zufall



Elke Heidenreich: Alles kein Zufall. Kurze Geschichten. 233 Seiten. 19,90 €, Hanser Verlag
Elke Heidenreich ist mir noch aus meiner Zeit als beratende Psychologin der Zeitschrift „Brigitte“ vertraut. Sie hatte dort eine Kolumne und ich schrieb über alle möglichen psychologischen Themen. Persönlich begegnet sind wir uns allerdings nur einmal, bei der Jubiläumsgala des Blattes in Berlin, schick im Abendkleid. Trotzdem habe ich das Gefühl, ich kenne sie schon lange. Das verstärkt sich nun durch dieses wunderbare persönliche Buch.
Elke Heidenreich hat darin – wenn ich richtig gezählt habe – in 190 Geschichten Anrührendes, Komisches und Kritisches aufgezeichnet. Manche sind eineinhalb Seiten lang, andere nur ein paar Zeilen. Alle haben einen privaten Hintergrund, etwa Freundschaften, Reiseerlebnisse, Kindheitserinnerungen. Geordnet sind die vielfältigen Themen alphabetisch nach Überschriften, von „Allein“ bis „Zufall“.  Die große Kunst von Elke Heidenreich besteht darin, dass sie ihre genaue Beobachtung dramaturgisch auf den Punkt bringt und sprachlich perfekt beschreibt.
Die Geschichten machen süchtig. Ich konnte nicht aufhören zu lesen. Und sie können die Leserinnen und Leser dazu inspirieren, auch für sich auf die kleinen Erlebnisse des Alltags zu achten und sie als  Geschichten zu speichern.
Übrigens kommen Elke Heidenreich und ich uns da auch wieder näher: Im Oktober erscheint im Herder Verlag mein Buch „Vertrau dem Leben“ – Psychologische Geschichten, angeordnet nach dem Alphabet.   

Montag, 11. Juli 2016

Kindermund tut Wahrheit kund



Irmgard Keun: Kind aller Länder. 221 Seiten. 17,99 €, Kiepenheuer & Witsch
Irmgard Keuns  Buch „Das kunstseidene Mädchen“ hatte ich vor Jahren mit großem Vergnügen gelesen. So war ich neugierig, als ich in der Verlagsvorschau auf dieses aufmerksam wurde.
Irmgard Keun war in den 1930er Jahren eine vielgelesene Autorin und wurde von bedeutenden Kollegen wie Tucholsky als junges Talent bewundert. Ihre Romane waren Bestseller, anrührend,  hintergründig und charmant geschrieben. Der  literarische Erfolg wurde  durch die Nazi jäh beendet, sie sah sich gezwungen, ins Exil nach Belgien und in die Niederlande zu gehen. Auf dieser Erfahrung beruht der autobiographisch gefärbte Roman. Er handelt vom Schicksal einer Emigrantenfamilie Ende der 30er Jahre. Der Vater, ein  Schriftsteller, zieht mit Frau und Tochter kreuz und quer durch Europa und ist ständig bemüht, Geld und Visa aufzutreiben. Trotz dieser deprimierenden Umstände bringt einen das Buch an vielen Stellen zum Lachen. Irmgard Keun beschreibt die Ereignisse nämlich aus der Perspektive der neunjährigen Tochter Kully. Die macht sich ebenso naiv wie altklug und scharfsichtig ihre Gedanken, etwa so: “Ich kann ja überall herumspringen und lustig sein. Aber Erwachsene brauchen Geld, wenn sie lustig sein wollen. Darum haben sie es viel schwerer als ein Kind.“ Oder „Entweder man liebt seine Eltern, dann ehrt man sie sowieso, oder man liebt sie nicht, dann können die Eltern mit der ganze Ehre verdammt wenig anfangen.“
Stilistisch ist diese Perspektive eine Gratwanderung, die Irmgard Keun nicht immer gelingt. Manchmal äußert sich ihre Protagonistin Kully für eine Neunjährige dann doch etwas zu blumig-literarisch („Die Nacht streute Sternenlichter in unser Abteil“). Man hört die erwachsene Autorin hindurch.  Trotzdem ist es ein lesenswertes Buch. Als ein Stück Zeitgeschichte und als Vermächtnis einer Schriftstellerin, die Tragik heiter zu beschreiben wusste.

Kindermund tut Wahrheit kund



Irmgard Keun: Kind aller Länder. 221 Seiten. 17,99 €, Kiepenheuer & Witsch
Irmgard Keuns  Buch „Das kunstseidene Mädchen“ hatte ich vor Jahren mit großem Vergnügen gelesen. So war ich neugierig, als ich in der Verlagsvorschau auf dieses aufmerksam wurde.
Irmgard Keun war in den 1930er Jahren eine vielgelesene Autorin und wurde von bedeutenden Kollegen wie Tucholsky als junges Talent bewundert. Ihre Romane waren Bestseller, anrührend,  hintergründig und charmant geschrieben. Der  literarische Erfolg wurde  durch die Nazi jäh beendet, sie sah sich gezwungen, ins Exil nach Belgien und in die Niederlande zu gehen. Auf dieser Erfahrung beruht der autobiographisch gefärbte Roman. Er handelt vom Schicksal einer Emigrantenfamilie Ende der 30er Jahre. Der Vater, ein  Schriftsteller, zieht mit Frau und Tochter kreuz und quer durch Europa und ist ständig bemüht, Geld und Visa aufzutreiben. Trotz dieser deprimierenden Umstände bringt einen das Buch an vielen Stellen zum Lachen. Irmgard Keun beschreibt die Ereignisse nämlich aus der Perspektive der neunjährigen Tochter Kully. Die macht sich ebenso naiv wie altklug und scharfsichtig ihre Gedanken, etwa so: “Ich kann ja überall herumspringen und lustig sein. Aber Erwachsene brauchen Geld, wenn sie lustig sein wollen. Darum haben sie es viel schwerer als ein Kind.“ Oder „Entweder man liebt seine Eltern, dann ehrt man sie sowieso, oder man liebt sie nicht, dann können die Eltern mit der ganze Ehre verdammt wenig anfangen.“
Stilistisch ist diese Perspektive eine Gratwanderung, die Irmgard Keun nicht immer gelingt. Manchmal äußert sich ihre Protagonistin Kully für eine Neunjährige dann doch etwas zu blumig-literarisch („Die Nacht streute Sternenlichter in unser Abteil“). Man hört die erwachsene Schriftstellerin hindurch.  Trotzdem ist es ein lesenswertes Buch. Als ein Stück Zeitgeschichte und als Vermächtnis einer Schriftstellerin, die Tragik heiter zu beschreiben wusste.