Dienstag, 10. November 2015

Eine tragische Biografie



David Foenkinos: Charlotte. 237 Seiten, DVA, 17,99 €
Vor Jahren habe ich in Frankfurt die Ausstellung „Leben – oder Theater?“ mit Bildern der Malerin Charlotte Salomon gesehen. Sie haben mich fasziniert und berührt, eine eigenwillige Mischung zwischen Malerei und Comic, verbunden mit Texten.
Charlotte Salomon wird 1917 als einziges Kind jüdischer Eltern in Berlin geboren. Sie wächst in einer gutbürgerlichen Familie auf, deren Geschichte jedoch von zahlreichen Suiziden überschattet ist. Auch ihre Mutter nimmt sich das Leben, als Charlotte neun Jahre alt ist. Der Vater, ein angesehener Medizinprofessor, heiratet erneut, eine Opernsängerin. Künstler und Wissenschaftler gehen nun bei den Salomons ein und aus. Doch die Machtergreifung der Nazis beendet das schlagartig. Der Vater verliert die Lehrbefugnis, die Stiefmutter ihre Engagements. Charlotte, die ihre Bestimmung als Malerin entdeckt hat, wird in der Kunstakademie gedemütigt und verlässt sie. Auch ihre Liebe zu einem Gesangslehrer gestaltet sich schwierig. Charlotte flieht nach Frankreich, malt intensiv, findet eine neue Liebe. Durch Denunziation wird sie von den Nazis entdeckt. Sie ist 26 Jahre alt und schwanger, als sie nach Auschwitz deportiert und ermordet wird.     
David Foenkinos hat ihre Biografie geschrieben, auf ungewöhnliche Art: Die Zeilen sind nicht fortlaufend, sondern wie ein Gedicht formatiert. Erstaunlich ist, dass man sich beim Lesen so schnell daran gewöhnt. Die kurzen Sätze lassen Bilder im Kopf entstehen. Irritierend ist allerdings, dass der Autor gelegentlich die Biografie unterbricht, um über seine eigene Wahrnehmung bei der Recherche zu berichten. Doch auch dieser Kunstgriff erweist sich letztlich als gelungen. Er erzeugt das Gefühl, mit den Augen des Autors wie durch ein Fernrohr in die Vergangenheit zu blicken.
Ein besonderes Buch, das auf der Basis intensiver Recherche das kurze Leben der Malerin beleuchtet und vor allem die psychologischen Hintergründe ihrer Kunst deutlich werden lässt.  

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