„Heute
werden die Kinder eben anders erzogen als früher“, bemerkte eine ältere Dame spitz
zu mir, während die Eltern eines Vierjährigen entzückt zusahen, wie er begeistert
Sahne auf dem Tisch verteilte. Dieses Buch ist dafür ein guter Beleg. Es
beschreibt Helikopter-Eltern, die ihre Premium-Kids bis zur Selbstaufgabe umkreisen.
Ihre Aktivitäten sind hier in die Lebensphasen des Nachwuchses eingeteilt: Schwangerschaft,
Kita, Schulweg, Schule inklusive Gang zum Gericht, Krankheiten, Uni und
Ausbildung. Dabei handelt sich keineswegs um einen Erziehungsratgeber mit
pädagogisch erhobenem Zeigefinger, sondern um eine skurrile Sammlung von Erlebnissen,
die Hebammen, ErzieherInnnen, LehrerInnen, AnwältInnen, ÄrztInnen und
ProfessorInnen den Autorinnen - beide Journalistinnen bei Spiegel Online - vermittelt haben. Da trägt eine Mutter trotz
Bandscheibenvorfall ihren Zweijährigen auf dem Arm, weil der partout nicht in
den Buggy will. Eine andere gibt in der Kita die Anweisung, dass man ihrem
Augenstern bei exakt 18,5 Grad der Pulli anziehen soll. Ein 15jähriger darf
nicht allein mit der U-Bahn fahren und ein Vater erkundigt sich beim Professor
nach den Noten seines studierende Sohnes – das alles liest sich sehr lustig, wenn die Tatsachen
nicht so traurig wären. Am Ende hat das Buch durchaus eine Ratgeberfunktion,
aber durch die Hintertür. Vielleicht erkennt sich ja jemand selbstkritisch wieder.
Liebe Autorinnen, hier kommt
mein verspäteter Beitrag: Kürzlich in einer Boutique in Hamburg-Eppendorf
(entspricht Berlin-Prenzlauer Berg). Eine Mutter probiert ein teures Outfit, ihr
fünfjähriger Sohn schlägt derweil mit einer Metallschnalle auf den Spiegel ein.
Die Verkäuferin macht sehr freundlich darauf aufmerksam, der Spiegel könne
kaputtgehen. Darauf die Eppendorf-Mutter empört: „Machen Sie sich lieber Gedanken
darüber, dass sich mein Sohn verletzen könnte!“
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